Erweiterung des Untersuchungsauftrages des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses IV (Kindesmissbrauch)

I. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen stellt fest:

Nachdem der nordrhein-westfälische Landtag auf Antrag von 65 Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Abgeordneten der Fraktion der SPD, von 26 Abgeordneten der Fraktion der FDP und der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 17/6660) am 26. Juni 2019 gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zum Vorgehen der nordrhein-westfälischen Landesregierung sowie der Ermittlungsbehörden und Jugendämter im Fall des vielfachen sexualisierten Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz in Lügde einen Untersuchungsausschuss eingesetzt hatte, meldete der Westdeutsche Rundfunk am 14. Januar 2020, man hat aus Ermittlerkreisen erfahren können, dass es Verbindungen zu einem anderen großen Missbrauchskomplex gibt:

Im Rahmen einer der umfangreichsten Ermittlungen der Landesgeschichte ist die Polizei seit einigen Monaten und bis in die Gegenwart hinein bestrebt, die Strukturen eines großen Kindesmissbrauchsnetzwerks aufzuklären und dabei Taten, Opfer und Tatverdächtige zu identifizieren. Die Ermittlungen gegen dieses Netzwerk, in dem foto- und videografische Abbildungen sexuellen Missbrauchs hergestellt und über Landesgrenzen hinweg verbreitet worden sind, und innerhalb dessen sich verschiedene Tatverdächtige mutmaßlich auch zum Missbrauch verabredeten, nahmen ihren Ausgangspunkt im nordrhein-westfälischen Bergisch Gladbach. Ein dort ansässiger Mann wird verdächtigt, ein Kind über einen längeren Zeitraum missbraucht und davon Aufnahmen angefertigt zu haben. Bislang sind bereits mehr als 50 Tatverdächtige ermittelt worden.

Ermittler berichten nunmehr aktuell von Erkenntnissen, wonach es Verbindungen zwischen diesem Komplex und dem Missbrauchskomplex in Lügde, der bereits zum Untersuchungsgegenstand des PUA IV geworden ist, gibt. Zunächst sollen zwei Familienangehörige des Verdächtigen aus Bergisch Gladbach über Jahre hinweg ebenfalls einen Stellplatz auf dem Campingplatz in Lügde gehabt haben. Der in der Vergangenheit wegen Kindesmissbrauchs verurteilte Großvater des Mannes aus Bergisch Gladbach hatte in den 80er und 90er Jahren einen Stellplatz im ostwestfälischen Lügde gepachtet. Ein Cousin des Mannes habe zwischen 2005 und 2009 dort einen Campingwagen genutzt, den er später an Andreas V., den verurteilten Haupttäter von Lügde, verkauft habe.

Darüber hinaus soll die Polizei bei dem Verdächtigen aus Bergisch Gladbach mutmaßlich kinderpornografisches Material sichergestellt haben, das in Lügde entstanden ist. Eine Verbindung oder ein Zusammenwirken der Täter beziehungsweise ein Zusammenhang der Missbrauchsfälle und der Tatkomplexe muss demnach als sehr wahrscheinlich gelten.

Das Vorliegen eines Zufalls wird auch von den ermittelnden Beamten als eher unwahrscheinlich angesehen.

Innenminister Herbert Reul sprach am Folgetag demgegenüber jedoch von „ungewöhnlichen Zufällen“. Die seit Anfang Dezember 2019 laufenden Ermittlungen des Polizeipräsidiums Bielefeld hätten lediglich Querverbindungen verwandtschaftlicher Art ergeben. Auch die Kölner und die Detmolder Staatsanwaltschaft sowie das Justizministerium verlautbaren, dass es keine Hinweise auf strafrechtlich relevante Zusammenhänge gebe.

Diese abweichenden Aussagen der anonym bleibenden Ermittler einerseits sowie von Staatsanwaltschaften und Landesregierung andererseits, lassen Anschlussfragen nach den Ursachen für diesen Dissens und die Glaubwürdigkeit der Darstellungen aufkommen.

Durch den eingesetzten Untersuchungsausschuss IV ist daher notwendigerweise ebenso aufzuklären, ob auch strafrechtlich relevante Verbindungen zwischen den Missbrauchskomplexen von Lügde und Bergisch Gladbach vorhanden sind, und ob in diesem Zusammenhang mögliche Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Behörden nachweisbar sind.

Es erscheint vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklungen dringend erforderlich, den Untersuchungsauftrag des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses IV um den vorstehend beschriebenen Themenkomplex zu erweitern.

II. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen beschließt:

Der Untersuchungsauftrag des mit Beschluss vom 26. Juni 2019 eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses IV (Kindesmissbrauch) (vgl. Drucksache 17/6660) wird um einen vierten Themenkomplex

„Verbindungen zwischen den Missbrauchskomplexen ‚Lügde‘ und ‚Bergisch-Gladbach'“

erweitert.

Der Themenkomplex steht nach neuesten Erkenntnissen womöglich in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem bestehenden Untersuchungsauftrag und soll bis zum Zeitpunkt des Beschlusses dieser Erweiterung des Untersuchungsauftrages untersucht werden. Die Erweiterung dient der objektiven Wahrheitsfindung und ist für die Vervollständigung der Sachaufklärung unter Berücksichtigung des Untersuchungsziels erforderlich. Wegen des möglichen Sachzusammenhangs ist die Aufklärung des einen Sachverhalts (Lügde) ohne die des Anderen (Bergisch Gladbach) nicht vollständig möglich. Die Aufklärung jedes einzelnen Sachverhalts trägt zur Aufklärung des anderen Missbrauchsfalles bei.

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss IV (Kindesmissbrauch) erhält den Auftrag, jedweden relevanten Zusammenhang zwischen den Missbrauchskomplexen von Lügde und Bergisch Gladbach zu ergründen und in diesem Zusammenhang mögliche Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Behörden aufzuklären. Dazu sind schwerpunktmäßig folgende Fragen zu klären:

  1. Lassen sich persönliche, berufliche und/oder kriminelle Beziehungen/Verbindungen zwischen dem in Bergisch Gladbach wohnhaften Tatverdächtigen des Missbrauchsnetzwerkes und einem oder mehreren verurteilten Tätern des Missbrauchskomplexes Lügde identifizieren?
  2. Lassen sich persönliche, berufliche und/oder kriminelle Beziehungen/Verbindungen zwischen dem Großvater des in Bergisch Gladbach wohnhaften Tatverdächtigen des Missbrauchsnetzwerkes und einem oder mehreren verurteilten Tätern des Missbrauchskomplexes Lügde identifizieren?
  3. Lassen sich persönliche, berufliche und/oder kriminelle Beziehungen/Verbindungen zwischen dem Cousin des in Bergisch Gladbach wohnhaften Tatverdächtigen des Missbrauchsnetzwerkes und einem oder mehreren verurteilten Tätern des Missbrauchskomplexes Lügde identifizieren?
  4. Lassen sich persönliche, berufliche und/oder kriminelle Beziehungen/Verbindungen zwischen Personen aus dem näheren Umfeld des in Bergisch Gladbach wohnhaften Tatverdächtigen des Missbrauchsnetzwerkes und einem oder mehreren verurteilten Tätern des Missbrauchskomplexes Lügde identifizieren?
  5. Lassen sich persönliche, berufliche und/oder kriminelle Beziehungen/Verbindungen zwischen weiteren Tatverdächtigen des Missbrauchskomplexes um den Mann aus Bergisch Gladbach und einem oder mehreren verurteilten Tätern des Missbrauchskomplexes Lügde identifizieren?
  6. War ein Täter beziehungsweise waren mehrere Täter des Missbrauchskomplexes Lügde selbst Teil des Missbrauchsnetzwerkes um den Tatverdächtigen aus Bergisch Gladbach?
  7. War ein oder waren mehrere Täter des Missbrauchsnetzwerkes um den Tatverdächtigen aus Bergisch Gladbach selbst als Täter oder, Mittäter, Gehilfe oder in anderer Form in den Missbrauchskomplex Lügde involviert?
  8. Welche Hinweise auf mögliche Verbindungen zwischen den beiden Missbrauchskomplexen erhielten die Ermittlungsbehörden wann, von wem und auf welchem Weg?
  9. Wie gingen die Ermittlungsbehörden mit diesen unter Ziffer 7. erfragten Hinweisen um?
  10. Lassen sich im Rahmen des behördlichen Umgangs mit möglichen Hinweisen auf Verbindungen zwischen den Missbrauchskomplexen etwaige Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten nachweisen?
  11. Wieso bewerten anonym bleibende Beamte mögliche (strafrechtlich relevante) Verbindungen gegenüber den Medien offenkundig anders als die Landesregierung?

Markus Wagner
Helmut Seifen
Gabriele Walger-Demolsky
Iris Dworeck-Danielowski
Sven Tritschler
Andreas Keith
Herbert Strotebeck
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
Nic Vogel
Roger Beckamp
Dr. Christian Blex
Thomas Röckemann


Antrag (Drucksache 17/8544)
Beratungsverlauf

Notstand der Bauern – Bundesweite Bauernproteste gegen die Agrarpläne der Bundesregierung

I. Ausgangslage

Am Dienstag, dem 22. Oktober 2019, sind über 6.000 Landwirte nach Bonn gefahren und haben auf einer der bisher größten Kundgebungen gegen die Agrarpläne der Bundesregierung protestiert. Die Landwirte haben mit ihrer Sternfahrt nach Bonn vielerorts einen kilometerlangen Stau verursacht. Sie stellten sich demonstrativ gegen praxisferne Vorschriften von Politikern ohne fachliche Qualifikation und forderten als Betroffene ein Mitspracherecht bei der Weiterentwicklung der Landwirtschaft.

Auslöser der „Grünen-Kreuze-Bewegung“ sind die Agrarpläne der Bundesagrarministerin Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Schulze (SPD). So plant die Bundesregierung eine weitere Verschärfung der Düngeverordnung, zusätzliche Einschränkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, das Glyphosat-Verbot nach dem Jahre 2023 und eine massive Umschichtung der EU-Agrarsubventionen.

Verschärfung des EU-Grenzwertes für Nitrat mit schweren Folgen für die Landwirte

Die EU-Trinkwasserrichtlinie schreibt einen einheitlichen Grenzwert von 50 mg Nitrat je Liter für das Trinkwasser in allen EU-Mitgliedsstaaten vor. Wird dieser „Schwellenwert“ überschritten, fordert die EU-Kommission Maßnahmen zur Reduktion des Nitratgehalts.

Vor dem Jahre 1986 betrug der Grenzwert für Trinkwasser in Deutschland noch 90 mg/L. Seinerzeit verkündete das Bundesgesundheitsamt zur Verschärfung des Grenzwertes: „Im Trinkwasser enthaltenes Nitrat hat in Konzentrationen bis zum früheren Grenzwert von 90 mg/L zu keiner nachweisbaren Gesundheitsschädigung der Bevölkerung geführt.“ und weiter heißt es „In den letzten 20 Jahren ist in der Bundesrepublik Deutschland kein Fall einer Säuglingsblausucht, verursacht durch Nitrat im Trinkwasser, in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden„.

Hintergrund der Verschärfung des Grenzwerts war im Jahre 1982 ein Bericht des STERN über Nitratwerte von über 300 mg/L im Trinkwasser. Daraufhin haben die Wasserwerke den Nitratgehalt durch die Anwendung moderner Verfahren im Trinkwasser erfolgreich reduziert. Eine Gesundheitsgefährdung der Menschen in Nordrhein-Westfalen durch zu hohe Nitratwerte im Trinkwasser gilt damit praktisch als ausgeschlossen. Die aktuelle Darstellung des EU-Grenzwerts als „Giftigkeitsgrenze“ (Bezeichnung durch das Umweltbundesamt) darf auf Grund toxikologischer Erkenntnisse im besten Falle als irreführend bezeichnet werden.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt einen täglichen Grenzwert von 3,7 mg Nitrat pro Kilogramm Körpergewicht, das entspricht bei einem Körpergewicht von 70 kg einer erlaubten Aufnahmemenge von 259 mg Nitrat pro Tag. Die durchschnittliche Nitrat-Aufnahme beträgt zwischen 50 und 160 mg pro Tag. Der Mensch nimmt Nitrat über viele Lebensmittel auf, wobei die größte Aufnahmequelle das Gemüse mit ca. 62 Prozent ist. So enthält Spinat ca. 1.200 mg Nitrat pro Kilogramm. In Deutschland hat Trinkwasser die höchste Qualität und gehört zu den am besten überwachten Lebensmitteln in der ganzen Welt.

Die aktuellen Fragestellungen bezüglich zu hoher Nitratwerte sind künstlich hervorgerufen und grundsätzlich dadurch entstanden, dass die EU die hohen Lebensmittelqualitätsstandards auch für das Grundwasser verpflichtend gemacht hat. Mit der EU-Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG wurde der EU-Grenzwert für das Nitrat im Trinkwasser einfach für das Grundwasser übernommen. Das ist deshalb problematisch, weil Nitrate zu den wichtigsten Grund und Nährelementen in der Nahrungsmittelproduktion gehören und für die moderne Landwirtschaft unverzichtbar geworden sind. Die Nutzpflanzen nehmen über ihre Wurzeln diesen Grundbaustein auf und wandeln ihn durch Photosynthese in lebenswichtige Proteine um. Eine ausreichende Versorgung der Nutzpflanzen mit notwendigen Düngemitteln ist für das Pflanzenwachstum, zum Schutz der Bodenfruchtbarkeit und letztlich für den Menschen einfach unverzichtbar.

Auf Grund der uneinheitlichen Bodenbeschaffenheit kann es jedoch in einzelnen Regionen Nordrhein-Westfalens dazu kommen, dass die Düngemittel sehr schnell aus dem Boden ausgewaschen werden und ins Grundwasser gelangen. Deshalb sind die Landwirte schon in die Pflicht genommen worden, ihre Düngeausbringung sehr umfangreich zu dokumentieren und bilanzieren.

Die gleiche Akribie wird jedoch nicht von den Überwachungsbehörden und ihren Nitrat-Messstellen verlangt. Laut des LANUV-Fachberichts 55 existieren in Nordrhein-Westfalen 3.709 Nitrat-Messstellen, von denen 13,9 Prozent den EU-Grenzwert für Grundwasser im Jahr 2014 überschritten. Auch hier ist das Problem künstlich erzeugt worden, da sich diese Prozentangabe nicht etwa auf die Überschreitung eines EU-Grenzwerts einer bestimmten Nitrat-Messstelle bezieht, sondern auf die Anzahl der Nitrat-Messstellen überhaupt. Diese Vorgehensweise beeinflusst maßgeblich die Darstellung der Nitratbelastung. Selbst das Umweltbundesamt musste zugegeben, dass die positive Entwicklung der belasteten Nitrat-Messstellen von fast 50 Prozent im vorletzten Nitratbericht (2012) auf nur noch 28 Prozent im letzten Nitratbericht (2016) aufgrund einer neuen Messnetzgestaltung mit mehr Nitrat-Messstellen entstanden ist.

Dennoch sind die Messdaten nicht vergleichbar. Selbst unter den Bundesländern gibt es erhebliche Unterschiede. So übermittelt das Land Mecklenburg-Vorpommern seit 2014 keine Nitratwerte im Grundwasser mehr an die Landesarbeitsgemeinschaft für den Länderindikator. Auch sind die deutschen Nitrat-Messstellen im europaweiten Vergleich nicht repräsentativ. Laut des letzten Nitratberichts aus dem Jahre 2016 hat Deutschland bezogen auf 1 Mio. Hektar ca. 42 Nitrat-Messstellen, dagegen hat die kleine Republik Malta 3.727 Nitrat-Messstellen. Das bedeutet, eine einzelne deutsche Nitrat-Messstelle deckt eine Fläche von mehr als 23.800 Hektar ab.

Die durchschnittliche Größe eines landwirtschaftlichen Betriebs in NRW beträgt ca. 42,8 Hektar. Somit teilen sich rund 556 landwirtschaftliche Betriebe in NRW mit allen anderen möglichen Nitrat-Eintragsquellen eine Nitrat-Messstelle. Die jetzigen Rahmenbedingungen führen zu einer umfassenden Kollektivhaftung. Das aktuelle Betriebssitzproblem ist unbestreitbar ein Problem der Politiker und nicht der Landwirte. Dass nach Angaben der NRW-Umweltministerin Heinen-Esser über 10 Prozent der Nitrat-Messstellen fehlerhaft sind, bestätigt die politische Agrarkatastrophe.

Ein aussagekräftiger Gesamtwert für die Nitratbelastung im Grundwasser existiert nicht. Jede Grundwassermessstelle wird in unterschiedlicher Höhe zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Häufigkeiten beprobt. Eine belastbare Auswertung der Nitratbelastung für den „EU-Einheitswert“ setzt eine gleichgewichtete Beprobung unter gleichen Bedingungen von gleichwertigen Böden voraus. Da eine solche Voraussetzung jedoch nicht eingehalten werden kann, fehlt bis heute der wissenschaftliche Anspruch bei der Beurteilung der Nitratbelastung.

Die direkte Übertragung der Messergebnisse auf die Grundwasserkarten mit der Einstufung des Nitrats als chemischem Schadstoff (durch das Umweltbundesamt) führt zu der unwissenschaftlichen Aussage, dass 34,8 Prozent aller Grundwasservorkommen in Deutschland im „schlechten Zustand“, „chemisch belastet“ oder gar „Nitrat belastet“ sind.

Im April 2016 reichte die EU-Kommission eine Klage gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof ein. Das EuGH-Urteil stammt vom 21. Juni 2018 und verpflichtet Deutschland zu strengeren Auflagen, die hauptsächlich die Landwirte treffen sollen. Doch bezog sich die Klage seinerzeit auf die alte Düngeverordnung, nicht auf die neue überarbeitete, die seit dem Jahre 2017 in Kraft ist. Aus Sicht der EU sei der Kontrollwert von 60 kg Stickstoff pro Hektar zu gering und so werden vor allen Dingen in den von Nitrat „belasteten“ Regionen, den sog. „roten Gebieten“, weitere strenge Maßnahmen gefordert: Verbot der Herbstdüngung, verpflichtende Zwischenfrüchte (ohne Futternutzung), die schlagbezogene Anrechnung des Düngemittels, sowie die willkürliche Absenkung des Düngebedarfs pauschal um 20 Prozent. Das alles soll umgesetzt werden, obwohl die „roten Gebiete“ nicht hinreichend differenziert sind und ein Verursacher nicht ausgemacht werden kann.

Sollte Deutschland den unionsrechtlichen Minderungsplanzielen nicht nachkommen, drohen absurd hohe Vertragsstrafen von 850.000 Euro pro Tag.

Die Agrar- und Umweltpolitik der EU ist an einem irrsinnigen Punkt der Überregulierung angelangt. Im Interesse der deutschen Landwirte muss Deutschland viele realitätsferne Vorschriften auf den Prüfstand stellen und sich für eine Renationalisierung von agrar- und umweltpolitischen Kompetenzen einsetzen.

Flächenverbrauch und die Notwendigkeit von Pflanzenschutzmitteln

Auch die Diskussion um Pflanzenschutzmittel muss wieder versachlicht und vor dem Hintergrund der zunehmenden Flächeninanspruchnahme betrachtet werden. Die Flächeninanspruchnahme für z.B. Siedlungsfläche, Verkehrsfläche und Betriebsfläche, erfolgt ausschließlich auf Kosten wertvoller Agrarflächen. Mit der Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) hat sich zwar die schwarz-gelbe Landesregierung von der strikten Vorgabe verabschiedet, nicht mehr als 5 Hektar an Fläche pro Tag in NRW zu verbrauchen, hat es aber unterlassen, Auswege für die Landwirte gegen eine weitere Intensivierung der Flächennutzung aufzuzeigen.

Währenddessen erhöht auch die EU-Agrarpolitik den Druck auf die Landwirte. Mit den vorgeschriebenen ökologischen Vorrangflächen von fünf Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden Landwirte schleichend enteignet. Vielerorts werden die Flächen einfach stillgelegt, weil eine duale Bewirtschaftung nach klassisch-traditioneller und ökologischer Bewirtschaftung schlichtweg zu aufwendig ist.

Mit der Nullzins-Politik der EZB wurden Anreize für landwirtschaftsfremde Spekulanten zum Ankauf von Ackerland im großen Stil geschaffen. Spekulanten kaufen die Flächen auf, legen sie still und erlangten so Anspruch auf EU-Agrarsubventionen. Die unwiederbringliche Konvertierung von wertvollem Ackerland in Dauergrünland darf als eine der schädlichsten Maßnahmen der Agrarpolitik betrachtet werden.

Selbst der Europäische Rechnungshof kam zu dem Ergebnis, dass die sog. Greening-Auflagen trotz der hierfür eingesetzten Milliardenbeträge keine nennenswerten Beiträge zum Umwelt- und Naturschutz leisten. Dazu sagte Samo Jereb vom Europäischen Rechnungshof im Gespräch mit TOP AGRAR: „Das Greening ist bisher wirklich keine Erfolgsgeschichte„. Dennoch halten die EU-Agrarpolitiker an der fragwürdigen Praxis der Zwangsstillegung fest, die im eigentlichen Sinne nicht mehr als Programm zum Schutz von Insekten, sondern als Programm zum Abbau von Produktionsüberschüssen verstanden werden muss.

Aufgrund der gestiegenen Pachtpreise wird vor allen Dingen den kleineren und mittleren Familienbetrieben die Chance zum Aufkauf von Agrarflächen zum Expandieren genommen. Der Druck auf die Landwirte ist gestiegen, auf den verbleibenden Flächen erfolgreich zu wirtschaften. Um die Ertragsverluste durch Flächenverlust zu kompensieren, müssen Landwirte immer stärker auf hochgezüchtete Pflanzensorten und effektive Pflanzenschutzmittel zurückgreifen. Doch nach den Plänen der Bundesregierung soll den Landwirten der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erschwert werden, inklusive eines Verbots von Glyphosat nach dem Jahre 2023.

Glyphosat wird immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung mit Krebs in Verbindung gebracht. Dabei kann die Entstehung von Krebs immer noch nicht vollständig ursächlich belegt werden. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), eine Abteilung der WHO, ordnet karzinogene Substanzen in drei Kategorien ein: Karzinogen, wahrscheinlich karzinogen und möglicherweise karzinogen. An dieser Klassifizierung gibt es jedoch international heftige Kritik.

Glyphosat wurde vor 40 Jahren als Herbizid entdeckt. Aufgrund seiner biochemischen Struktur wirkt es ausschließlich im pflanzlichen Stoffwechsel und nicht bei Menschen oder Tieren. Eine

Vielzahl internationaler Studien hat eine karzinogene Wirkung des Wirkstoffes Glyphosat verneint. Erst im März 2015 wurde Glyphosat von der IARC als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, was heftigen Widerstand bei der Wissenschaft und bei den unzähligen Genehmigungsbehörden (USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, auch der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit) auslöste. Die Einstufung von Glyphosat durch IARC beruhte nicht auf epidemiologischen Beobachtungen, sondern auf Tierversuchen. Es drängte sich der Verdacht auf, dass vorschnell eine Krebsangst heraufbeschworen wurde. SPON berichtete im Oktober 2017 von einer „Vergifteten Debatte„. Die gemessenen Mengen seien so gering, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung immer wieder beruhigt und entwarnt. So seien „die entdeckten Mengen [Glyphosat im Bier] so gering […], dass der Durchschnittsdeutsche Hunderte Liter Bier an einem einzigen Tag runterschlucken könnte, ohne dass eine Gefahr vom Pestizid ausginge„.

Die Politik steht in der Verantwortung, sich für den Erhalt eines wirksamen Pflanzenschutzes nach guter fachlicher Praxis als Grundlage jeglicher landwirtschaftlichen Produktion einzusetzen. Die bewährten Zulassungsstandards im Hinblick auf Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz dürfen weder vernachlässigt noch praxisfern verschärft werden. Solange mögliche Gefahren durch Glyphosat nicht wissenschaftlich untermauert sind, darf die Bundesregierung keine Verbote für den Einsatz von Glyphosat aussprechen.

EU-Agrarsubventionen verzerren den Wettbewerb

Unter den deutschen Top-Empfängern von Agrarsubventionen ist kein einziger Landwirt. So ist der größte Subventionsempfänger das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern. Im Jahr 2018 hat die oberste Landesbehörde 10,4 Mio. Euro von der EU erhalten.19 An zweiter Stelle steht der Landesbetrieb für Küstenschutz in Schleswig-Holstein mit 5,92 Mio. Euro. Auch finden sich noch Landesbetriebe aus Niedersachsen, SachsenAnhalt, Thüringen und Brandenburg unter den Top-15-Empfängern. Gegenüber der Ausschüttung der Agrarsubventionen im Jahre 2009 hat sich vieles getan. Seinerzeit erhielten auch Rüstungskonzerne, Eislaufclubs, Akkordeonclubs, Auto- und Chemiekonzerne Zuschüsse aus dem Agrartopf. Vorbei sind auch die Zeiten der Exportunterstützung für europäische Produkte, wie bei Nestlé geschehen. Bis heute geblieben ist jedoch die Tatsache, dass die kleinen und mittleren Familienbetriebe nur unzureichend von den EU-Agrarsubventionen profitieren.

Statt den Fokus auf die kleinen NRW-Familienbetriebe zu legen, war es auf der Agrarministerkonferenz am 12. April 2019 in Landau vor allem die schwarz-gelbe Landesregierung, die sich für eine Umschichtung von Haushaltsmitteln in die zweite Säule in Höhe von 4,5 Prozent des Direktzahlungsvolumens eingesetzt hat. Die Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD vom 2. Oktober 2019 hat ergeben, dass die flächenbezogenen Direktzahlungen um 6 Millionen Euro in NRW gekürzt werden. Die umgeschichteten Mittel kommen denjenigen landwirtschaftlichen Betrieben zugute, die sich den neuen EU-Agrarumweltmaßnahmen nicht verweigern und das umfangreiche Controlling mitmachen.

Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Umverteilung zu aufwendigeren bürokratischen Verfahren und zum steigenden Anpassungsdruck für Landwirte führen wird. Vor diesem

Hintergrund hat sich die Wut der Landwirte darüber in Bonn und in vielen anderen deutschen Städten entladen. Unterdessen verwies Bundesagrarministerin Klöckner (CDU) auf die „gesellschaftlichen Erwartungen“ hin, denen sich die Landwirte stellen müssten. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV), Johannes Röring, trat in Bonn auf und versuchte, die Wut der Landwirte zu kanalisieren.

Am gleichen Tag hat die FDP-Bundestagsfraktion ihren Antrag „Fachlich fundierte und europäisch einheitliche Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft mit Zukunft“ im Bundestag eingereicht und für eine zukunftsfeste Landwirtschaft geworben. Bei der namentlichen Abstimmung, zwei Tage später, haben die Abgeordneten der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD für den Antrag gestimmt. Der WLV-Präsident Röring stimmte mit der CDU-Fraktion gegen den Antrag.

Enttäuscht setzten hunderte Landwirte ihren Protest fort und demonstrierten am 28. Oktober 2019 in Kalkar. Zur Kundgebung beim Agrar-Forum kamen erneut rund 400 Landwirte mit Traktoren und sorgten vereinzelt für Verkehrsbehinderungen am Niederrhein. Unterdessen sprach der WLV-Präsident Röring in einem Interview mit TOP AGRAR davon, dass er keine Hinwendung der Bauern zu einer politischen Alternative erkenne. Er sprach davon, dass die erforderlichen Kompromisse für mehr Umwelt- und Klimaschutz nicht allen Betroffenen gefallen werden und betonte als WLV-Präsident noch einmal klar, „dass die CDU/CSU eng an der Seite der Bauernfamilien [stünde] und für sie [kämpfen würde].

Doch bereits im Mai 2018 konnte SPON zeigen, dass der Familienbetrieb des WLV-Präsidenten Röring EU-Agrarsubventionen in Höhe von 33.711 Euro (2017) erhielt. Laut ABGEORDENTENWATCH steht der WLV-Präsident auch an sechster Stelle der Top-Verdiener mit Nebeneinkünften von über 620.000 Euro im letzten Jahr, eine Tatsache, die seine finanzielle und politische Unabhängigkeit im Interesse der westfälischen Landwirte, die er im Bundestag vertritt, in Frage stellt.

Regionalisierung statt Globalisierung

Vielen Verbrauchern ist durchaus bewusst, dass die klassisch-traditionelle Landwirtschaft mit ihren kleinen Bauernhöfen stark unter Druck gekommen ist und regionale Produkte mehr Wertschätzung erfahren müssen, um den Globalisierungstrend aufzuhalten. Besonders durch die Freihandelsabkommen, wie z.B. mit den Mercosurstaaten und einem hierdurch verstärkten Preisverfall für Agrarprodukte, hat die Sympathie für regionale Lebensmittel deutlich zugenommen. Das betrifft alle Formen der Bewirtschaftung. Die Sympathie gilt nicht exklusiv Ökoprodukten, sondern betrifft Regionalprodukte im allgemeinen. Um der regionalen Absatzförderung nachhaltig zu helfen, wird es nötig sein, mehr Fördermittel über die Kriterien zur Regionalität zu vergeben, nicht über die Bewirtschaftungsform.

II. Der Landtag stellt fest,

  • dass Landwirte schon heute viele ökologischen Maßnahmen durchführen;
  • dass neue praxisferne Vorschriften den bereits existierenden Anpassungsdruck auf die Landwirte noch weiter erhöhen werden;
  • dass auch den kleineren und mittleren Familienbetriebe ein Mitspracherecht bei der Entwicklung neuer Vorschriften gegeben werden muss;
  • dass auch in Zukunft keine Kompromisse bei der Trinkwasser-Qualität gemacht werden dürfen.
  • dass Nitrate unverzichtbar für die Nutzpflanzen, für die Bodenfruchtbarkeit und letztlich für die Ernährung des Menschen sind.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, die Ermittlung der Nitratbelastung stärker an guter wissenschaftlicher Praxis zu orientieren;
  2. neue Nitrat-Messstellen an geeigneten Orten aufzustellen und transparente Standards bei der Erhebung der Datensätze anzuwenden, um die Nitratermittlung auch in den sog. „roten Gebieten“ noch genauer durchzuführen;
  3. sich auf allen politischen Ebenen für den notwendigen Bürokratieabbau im Agrarsektor einzusetzen, um vor allen Dingen kleine und mittlere Familienbetriebe zu entlasten;
  4. sich gegen ein nationales Verbot von Glyphosat einzusetzen, solange es keine stichhaltigen Erkenntnisse für eine Gesundheitsschädlichkeit gibt;
  5. für den Erhalt eines wirksamen Pflanzenschutzes nach guter fachlicher Praxis als Grundlage jeglicher landwirtschaftlichen Produktion zu kämpfen;
  6. kleine und mittlere Familienbetriebe in den Mittelpunkt der europäischen Agrarnovelle und -politik zu stellen, und nicht Agrarumweltmaßnahmen;
  7. sich im Sinne der Wettbewerbsfreiheit stärker für die Regionalität der Landwirtschaft einzusetzen statt für eine einzige Bewirtschaftungsform.

Dr. Christian Blex
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion


Antrag (Drucksache 17/7746)
Beratungsverlauf

Keine weitere Zeit verlieren! Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zum Behördenskandal im Zusammenhang mit dem publik gewordenen langjährigen und vielfachen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde darf sich nicht noch weiter verzögern! („PUA Lügde“)

Abschnitt A

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen

I. Sachverhalt: Aus einem Missbrauchsskandal wird ein Behördenskandal

In einem am Abend des 5. März 2019 ausgestrahlten Beitrag des ZDF-Magazins Frontal21 berichtet die mittlerweile 39 Jahre alte Michaela V., dass einer der mutmaßlichen Haupttäter des Missbrauchsskandals auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde, Andreas V., sie bereits im Jahr 1990 als damals elfjähriges Mädchen sexuell missbraucht habe. Ihr Vater habe ihren Offenbarungen damals jedoch keinen Glauben geschenkt.

Dieser jüngste Tatverdacht läge zeitlich noch einmal deutlich vor den bis dahin der Öffentlichkeit bekannten Verdachtsfällen auf sexuellen Missbrauch durch den Dauercamper Andreas V., der bereits 2002 und 2008 verdächtigt wurde, Kinder missbraucht zu haben. In diesen beiden Fällen blieben die Hinweise, die bei der Polizei eingingen, jedoch folgenlos. Die Hinweise eines Vaters auf Übergriffe durch Andreas V. auf seine Töchter im Jahre 2016, die an die Polizei Lippe weitergegeben wurden, zogen nach Übermittlung der Informationen an das Jugendamt ebenfalls keine Folgen nach sich. Schließlich gingen Kreispolizeibehörde und Jugendamt auch dem Hinweis einer Mitarbeiterin des Jobcenters nicht weiter nach.

Das Jugendamt Lippe behauptet, ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Andreas V. sei in der Behörde nie eingegangen; die Polizei widerspricht dieser Darstellung. Das Jugendamt erteilte V. im selben Jahr mit Einverständnis der Mutter sogar die Pflegeerlaubnis für ein sechsjähriges Pflegekind, das mit dem Tatverdächtigen fortan auf dem Campingplatz lebte. Allein schon die Erteilung der Pflegeerlaubnis bei diesen äußeren Umständen erscheint dubios.

Im Oktober 2018 zeigte eine Mutter dann den Missbrauch ihrer Tochter durch V. an. Im Laufe der Ermittlungen meldeten sich zwei weitere Opfer bei der Polizei. Allerdings wurde Andreas V. erst Wochen später, am 13. November 2018, das Pflegekind entzogen und dieses in Obhut genommen. Weitere drei Wochen später erfolgten dann die Festnahme und die Unterbringung des Hauptbeschuldigten V. in Untersuchungshaft. Bei Durchsuchungen stieß die Polizei auf zahlreiche Datenträger mit kinderpornografischen Inhalten und weitere Beweismittel. Am 10. und 11. Januar 2019 erfolgten die Festnahmen zweier weiterer Tatverdächtiger, Mario S. und Heiko V. Mario S. wird vorgeworfen, neben dem Hauptverdächtigen Andreas V. ebenfalls Kinder auf dem Campingplatz missbraucht zu haben. Heiko V. soll Andreas V. zu Straftaten angestiftet und mittels Live-Übertragungen bei Missbrauchshandlungen zugesehen haben. Auch bei Durchsuchungen im Zusammenhang mit diesen Festnahmen konnten erneut Datenträger beschlagnahmt werden.

Bis zum 11. Februar 2019 stieg die Gesamtzahl der Tatverdächtigen dann auf sechs Personen. Eltern werden der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch verdächtigt, eine weitere Person hat mutmaßlich Daten für einen der Haupttatverdächtigen gelöscht. Auch bei späteren Durchsuchungen in Wohnungen und Wohnwagen der Haupttatverdächtigen werden immer wieder neue mögliche Beweismittel gefunden, so z.B. am 22. und 27. Februar, sowie am 4. und 5 März 2019.

Ende Februar wurde ein siebter Tatverdächtiger im Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch in Lügde ermittelt. Ein 16-Jähriger wird verdächtigt, im Besitz von Videomaterial, das auf dem Campingplatz entstanden ist, gewesen zu sein. Im Rahmen seiner Vernehmung machte der Minderjährige umfangreiche Aussagen, aus denen hervorgegangen ist, dass er als 10jähriger Junge mehrfach Opfer sexuellen Missbrauchs durch Mario S. geworden ist. Zugleich sei er als Jugendlicher später selbst zum Täter geworden.

Anfang März 2019 berichteten Medien schließlich von einem „mysteriösen Einbruchsversuch“ in den Keller des Elternhauses des Tatverdächtigen Mario S., der diesen mitnutzte. Die Mutter des Tatverdächtigen hatte drei Wochen nach der Festnahme von Mario S. die stark beschädigte Kellertür vorgefunden und dies der Polizei gemeldet.

In der zweiten Märzhälfte hat das zuständige Jugendamt schließlich weitere Kinder in Obhut genommen, die möglicherweise ebenfalls Missbrauchsopfer sind. Es wurde zudem der Verdacht geäußert, dass die betroffenen Eltern oder zumindest einige von ihnen den Täter unterstützt haben könnten, wobei sich die offiziellen Angaben von Regierung und Kreis diesbezüglich zunächst widersprachen.

Ende März 2019 gab Innenminister Reul vor dem Innenausschuss des Landtages sodann bekannt, dass inzwischen gegen einen achten Beschuldigten ermittelt wird. Die Gesamtzahl der Tatverdächtigen sank jedoch Ende April wieder um eine Person, nachdem das Ermittlungsverfahren gegen einen 68-jährigen Mann eingestellt worden ist, da kein hinreichender Tatverdacht vorliegt. In der zehnten gemeinsamen Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Detmold und der Polizei Bielefeld erklären die Ermittler dazu Folgendes:

„Aus der Aussage seiner Tochter hatte sich der Verdacht der Beihilfe zu Taten des Hauptbeschuldigten ergeben. Ihr Vater habe sie weiter dem Hauptbeschuldigten anvertraut, obwohl sie ihm von sexuellen Übergriffen berichtet habe. Die Taten sollen Anfang der 1990er Jahre stattgefunden haben.

Anhaltspunkte dafür, dass der Hauptbeschuldigte bei den von der Zeugin geschilderten sexuellen Handlungen Gewalt oder Drohungen anwandte, haben die Ermittlungen nicht ergeben. Soweit aufgrund des damaligen Alters der heute 39 Jahre alten Zeugin eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Betracht käme, wären die Taten bereits verjährt, sodass sie nicht mehr verfolgt werden könnten.“

https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/12522/4253178

In der zwölften gemeinsamen Presseerklärung teilten die Staatsanwaltschaft Detmold und die Polizei Bielefeld der Öffentlichkeit mit, dass zwischenzeitlich zwar gegen die „Mutter eines Opfers wegen des Verdachts der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern“ ermittelt wurde, das Verfahren mittlerweile jedoch wieder eingestellt ist. Zugleich gebe es einen weiteren Tatverdächtigen. Der 21jährige Mann werde ebenfalls des sexuellen Missbrauchs von Kindern verdächtigt. Insgesamt ermitteln die Behörden somit wieder gegen acht Tatverdächtige. Diese Information über den geistig behinderten und in Betreuung lebenden Mann, der womöglich auch selbst Opfer der Haupttäter sein könnte, ist kurz zuvor bereits aus einem vertraulichen Dokument der Landesregierung für den Rechtsausschuss, das den Medien offenbar zugespielt worden ist, hervorgegangen. Erst durch den Hinweis des Haupttäters Andreas V. ist man auf den Mann aufmerksam geworden. Nach den anderen beiden Haupttätern, Mario S. und Heiko V., zeigt sich nun wohl auch bei Andreas V. eine grundsätzliche Aussagebereitschaft.

In einem öffentlichen Bericht der Landesregierung an den Innenausschuss vom 4. Juni 2019 ist der Öffentlichkeit jüngst bekannt geworden, dass zum Stand 29. Mai 2019 aktuell sogar gegen insgesamt 21 Beschuldigte im gesamten Komplex ermittelt werde, darunter auch Beamte und Behördenmitarbeiter.

Die Behörden gehen von über 40 Opfern der Haupttäter und von schätzungsweise über 1000 Einzeltaten – über viele Jahre hinweg – aus.

Am 14. Mai 2019 bestätigte das Landgericht Detmold in einer Presseerklärung, dass die Staatsanwaltschaft Detmold am Vortag die Anklage gegen Andreas V. und Heiko V. erhoben habe.15 In der 64 Seiten umfassenden Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft Andreas V. „in insgesamt 293 Fällen insbesondere sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlen, schweren sexuellen Missbrauch von Kindern sowie den Besitz von kinderpornographischen Schriften“ vor. Die Missbrauchstaten sollen laut Anklage im Sommer 1999, sowie in dem Zeitraum von 2008 bis 2018 begangen worden sein. Die Staatsanwaltschaft führt insgesamt 22 zum Tatzeitpunkt minderjährige Geschädigte auf. Dem mitangeklagten Heiko V. wird „in zwei Fällen Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, in einem Fall Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern, in einem Fall die Vornahme sexueller Handlungen vor einem Kind sowie den Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften“ vorgeworfen.

Am 5. Juni gab das Landgericht Detmold zudem bekannt, dass die Staatsanwaltschaft eine Nachtragsanklage gegen Andreas V. erhoben hat, die ihm den sexuellen Missbrauch von Kindern in fünf weiteren Fällen zulasten einer weiteren Geschädigten vorwirft.

Bereits einige Tage zuvor, am 23. Mai 2019, hat die Staatsanwaltschaft auch gegen Mario S. Anklage erhoben. S. wird beschuldigt „in insgesamt 162 Fällen insbesondere sexuellen und schweren sexuellen Missbrauch von Kindern sowie die Herstellung kinderpornographischer Schriften“ zum Nachteil von 17 Geschädigten in einem Zeitraum von 1999 bis Januar 2019 vorgenommen zu haben.

Dem Detmolder Landgericht steht mit dem geplanten Prozessbeginn am 27. Juni 2019 eines seiner umfangreichsten Verfahren bevor, dessen Rahmenbedingungen derzeit eruiert werden. 16 Anwälte vertreten insgesamt 24 Opfer als Nebenkläger, zahlreiche Journalisten aus dem deutschsprachigen Raum werden erwartet.

Doch auch mit Prozessbeginn sind die Ermittlungen im gesamten Komplex nach Angaben des zuständigen Oberstaatsanwaltes noch nicht abgeschlossen. Die Anklage könne erweitert werden oder eine zweite Anklage erhoben werden.

Jenseits der juristischen Bearbeitung, Klärung und Aburteilung der einzelnen Straftaten bedarf es einer umfassenden politischen und parlamentarischen Aufarbeitung dieses Missbrauchsskandals, der sich nämlich rasch zu einem Behördenskandal entwickelte:

Immerhin hätten zahlreiche Taten möglicherweise verhindert werden können, wären Polizei und Jugendämter den Verdachtsmomenten der Jahre 2002, 2008 und 2016 ordnungsgemäß nachgegangen. Am 21. Februar 2019 wurde der Öffentlichkeit darüber hinaus bekannt, dass 155 Datenträger, die als Beweismittel zuvor gesichert worden waren, aus einer Asservatenkammer der Kreispolizeibehörde Lippe verschwunden sind, die offenkundig meistens zudem nicht ordnungsgemäß verschlossen war. Die erstmalige Sichtung jener Asservate vor ihrem Verschwinden wurde überdies von einem offenbar überforderten Polizeischüler durchgeführt. Gegen einen Polizeibeamten, der von Mitte Dezember 2018 bis Anfang Januar 2019 für zwei Wochen die Ermittlungen zu den Missbrauchsstraftaten auf dem Campingplatz leitete, ist darüber hinaus eine Anzeige wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt im Kontext der Ermittlungen zu einer anderen möglichen Sexualstraftat gestellt worden, da auch in diesem Falle wichtige Beweismittel verschwunden sind. Der Beamte, der auch in zwei weitere Ermittlungsverfahren involviert gewesen ist, in denen Asservate nicht mehr auffindbar waren, ist mittlerweile vom Dienst suspendiert worden. Besonders brisant ist schließlich, dass ebendieser suspendierte und verdächtigte Beamte wiederum der Tutor jenes Polizeischülers, der mit der Auswertung der im Fall „Lügde“ möglicherweise entwendeten Beweismittel beauftragt war, gewesen ist.

In der Kreispolizeibehörde Lippe ist zudem ein weiterer Beamter tätig, der 2011 wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt und in einem Disziplinarverfahren degradiert worden ist. Dies bestätigte auch das Innenministerium am 9. März 2019. Obzwar das Ministerium mitteilt, dass der einschlägig vorbestrafte Beamte nicht in die Ermittlungen zu dem Missbrauchsskandal eingebunden gewesen sei, verweist ein Opferanwalt darauf, dass er aus gesicherter Quelle erfahren habe, dass der Polizist in eben dem Gebäude seinen Dienst verrichte, in dem auch die Ermittlungen stattgefunden hätten. Ein Beitrag der Tagesschau stellt aus diesem Grund die Frage, ob der Beamte theoretisch Zugriff auf Beweismittel gehabt haben könnte. Auch zwei weitere Beamte der Kreispolizeibehörde Lippe sind in der Vergangenheit durch Sexualdelikte auffällig geworden: Ebenfalls 2011 hat ein Beamter in seinem privaten Bad heimlich eine Videokamera installiert, 2013 hat ein so genannter Tutor eine Polizeischülerin belästigt. Der insgesamt unsachgemäße Umgang der Kreispolizeibehörde Lippe mit sichergestellten Asservaten vor der Übernahme der Ermittlungen durch das Polizeipräsidium Bielefeld ließ zwischenzeitlich sogar eine Diskussion über deren Verwertbarkeit vor Gericht aufkommen, da beispielsweise Beweismittelmanipulationen nicht gänzlich ausgeschlossen werden können.

Über den Leiter des Jugendamtes im Kreis Hameln-Pyrmont ist schließlich bekannt geworden, dass er nach der Verhaftung von Andreas V. Akteneinträge manipuliert hat. Der Landrat des Landkreises musste nach der mittlerweile erfolgten umfassenden Aktenauswertung eingestehen, dass der Behörde seit 2016 mehrere Hinweise auf die Sexualpräferenzen des Haupttäters Andreas V. vorlagen, denen man jedoch nicht ordnungsgemäß nachgegangen ist. Grundsätzlich stellt sich aber auch die Frage, warum Andreas V., der in einer vermüllten Behausung auf einem Campingplatz lebt, überhaupt erst ein Pflegekind zugesprochen worden ist.27 Fragwürdig erscheint ebenfalls, warum Jugendamtsmitarbeiter teils wöchentlichen Besuchen vor Ort zum Trotze nichts Verdächtiges bemerkt haben wollen. (Eine solche Häufung von amtlichen Besuchen bei Pflegekindern ist höchst ungewöhnlich und schon allein aus personellen Gründen kaum zu bewältigen.)

Zahlreiche dieser Vorgänge blieben nicht ohne Konsequenzen:

„Wegen Strafvereitelung im Amt und wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt die Polizei inzwischen gegen 14 Behördenmitarbeiter. Darunter sind laut offiziellen Angaben zwei Polizisten und acht Angestellte von Jugendämtern der Landkreise Hameln-Pyrmont und Lippe. (…)

Zudem gibt es personelle Konsequenzen. Auf Anweisung des Innenministeriums soll der Detmolder Polizeidirektor an das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten versetzt werden. Landrat Lehmann entband zudem den Leiter der Direktion Kriminalität von seinen Aufgaben. Auch der Jugendamtsleiter von Hameln wurde vom Dienst freigestellt.

Der Umgang mit Beweisstücken soll ebenfalls grundlegend verbessert werden. Während der erneuten Durchsuchung des Campingplatzes räumten Beamte zuletzt sämtliche Gegenstände aus der Behausung von Andreas V. in einen Container. Diese Maßnahme soll verhindern, dass weitere Beweismittel verschwinden.“

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/luegde-wie-der-missbrauchsfall-zum-behoerdenskandal-wurde-a-1255554.html

Der zunächst suspendierte Amtsleiter ist auf einer anderen Position inzwischen wieder im Dienst, da die Vorwürfe gegen ihn nicht so schwerwiegend seien, obschon ihm nach Ende der Ermittlungen weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen drohen könnten. Eine weitere Mitarbeiterin des Jugendamts Hameln-Pyrmont soll wegen einer gravierenderen Aktenmanipulation zwecks Verschleierung früherer Hinweise auf die Sexualpräferenzen des Hauptverdächtigen dagegen fristlos entlassen werden.

In einem öffentlichen Bericht für den Rechtsausschuss vom 6. Mai 2019 teilte die Landesregierung mit, dass im Zusammenhang mit dem Ermittlungskomplex Lügde in Nordrhein-Westfalen noch gegen insgesamt zwei Polizisten und sieben Jugendamtsmitarbeiter ermittelt werde. Ende Mai liefen weiterhin Ermittlungen gegen zwei Polizisten und inzwischen acht Behördenmitarbeiter.

Nach Abschluss der Tatortarbeit der Ermittlungskommission „Eichwald“ erfolgte am 27. März 2019 die zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei abgestimmte Freigabe der Tatorte. Bereits einige Tage zuvor, am 23. März, wurden laut Polizeiangaben bereits die Absperrgitter abgebaut. Der Betreiber und Inhaber des betroffenen Campingplatzes in Lügde, Frank S., veranlasste daraufhin den Abriss der Parzelle des Haupttatverdächtigen, Andreas V., um das Grundstück im Anschluss in eine Grünfläche umzuwandeln. Staatsanwaltschaft und Polizei sahen nach eigener Aussage zuvor keine Veranlassung, einen Abriss mit öffentlichen Mitteln vornehmen zu lassen.

Im Rahmen der Abrissarbeiten wurden am Donnerstag, 11. April 2019, allerdings eine weitere CD und zwei Disketten entdeckt. Am Folgetag, dem 12. April 2019, konnte im Abrissschutt sodann noch eine weitere CD gefunden werden. Die Fundstücke sind durch das Abbruchunternehmen an die Polizei übergeben worden. Die Staatsanwaltschaft Detmold und die Polizei Bielefeld nahmen dazu in ihrer achten gemeinsamen Presseerklärung wie folgt Stellung:

„Die Polizei geht aufgrund der umfangreichen Tatortarbeit der Ermittlungskommission „Eichwald“, der Angaben des Abrissunternehmers nach den Funden und der Abläufe bei den Abrissarbeiten davon aus, dass sich die Datenträger in einem Zwischenraum des doppelten, fest verbauten Holzbodens im Wohnwagen des Beschuldigten befunden haben.

(…)

Die Ermittlungskommission hatte vor der zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei abgestimmten Freigabe der Tatorte am 27.03.2019 eine intensive, sehr kleinteilige Untersuchung der Tatorte betrieben. Die Tatortarbeit im Bereich der Parzellen der beiden Beschuldigen wurde nach höchsten Standards – analog zur Tatortarbeit bei Mord und Totschlag – durchgeführt. Dazu wurden unter anderem die Behausungen der Beschuldigten von der Polizei vollständig leer geräumt. Die Gegenstände aus den Behausungen wurden zwischengelagert und akribisch durchsucht.

Zur Auffindung von Gegenständen in Verstecken wurde zudem ein Datenträgerspürhund eingesetzt und es wurden 3-D-Laser-Scans von den Tatorten angefertigt. Hohlräume, die zugänglich und somit als Versteck geeignet gewesen wären, wurden dabei nicht gefunden. Es gab danach keine Anhaltspunkte dafür, dass sich auf dem Gelände noch relevantes Beweismaterial befand.

Eine Zerstörung der Behausung war von dem richterlichen Durchsuchungsbeschluss nicht gedeckt und somit für Polizei und Staatsanwaltschaft aus rechtlichen Gründen nicht zulässig.“

Der verantwortliche Abbruchunternehmer widersprach dieser behördlichen Darstellung jedoch sogleich und behauptete, diese Aussage so nie getätigt zu haben, da er auch gar nicht gewusst habe, wo das Material genau gewesen ist. Im Übrigen sei er darüber verwundert, dass die Polizei die Abrissarbeiten auch nach dem ersten Fund nicht überwacht habe. Und auch eine Mutter einer betroffenen Opferfamilie erhob schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden. Sie habe die Kriminalpolizei Detmold bereits im Januar und Februar 2019 darauf hingewiesen, dass Andreas V. ihr in der Vergangenheit mitgeteilt habe, wo man besonders gut Gegenstände aufbewahren kann: unter anderem nämlich in Hohlräumen in doppelten Böden. Die Beamten hätten ihr damals versichert, den Hinweisen nachzugehen.

Am Montag, 15. April 2019, musste der Abbruchunternehmer die Polizei zum dritten Mal über den Fund von Datenträgern im Rahmen der Arbeiten informieren. Insgesamt 11 Videokassetten, eine CD und eine Mini-CD wurden obenauf in einem Container für Abrissschutt entdeckt. Auch hierzu bezogen Staatsanwaltschaft und Polizei in ihrer nunmehr neunten gemeinsamen Presseerklärung Stellung:

„Eine grobe Sichtung einiger Videokassetten erbrachte bislang keine strafrechtlich relevanten Inhalte, sondern Unterhaltungssendungen.

Die Herkunft der Datenträger konnte bislang nicht geklärt werden. Es wird auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass die Datenträger durch Unbekannte nachträglich auf dem Schutt im Container abgelegt wurden. Die Auswertungen und Ermittlungen dauern an.

Die Polizei schloss aufgrund der umfangreichen Tatortarbeit der Ermittlungskommission „Eichwald“, der Angaben des Abrissunternehmers und der Abläufe bei den Abrissarbeiten aus, dass die Datenträger aus der abgerissenen Behausung des Hauptbeschuldigten stammten und führte daher sofort Ermittlungen auf dem Campingplatz vor Ort zur Herkunft der Datenträger durch.“

Doch noch am selben Tag mussten die Ermittler in derselben Mitteilung bekannt geben, dass sie einen Geräteverschlags des Hauptbeschuldigten auf dem Campingplatz, der sich lediglich wenige Meter entfernt befand, in den bisherigen Ermittlungen übersehen hatten. Zu diesem Sachverhalt heißt es in der oben zitierten neunten Presseerklärung:

„Der Polizei lagen bislang keine Erkenntnisse darüber vor, dass dieser Schuppen dem Hauptbeschuldigten zuzuordnen ist. Der Schuppen war daher bislang auch nicht Gegenstand polizeilicher Maßnahmen.

(…)

Bei diesen Ermittlungen stieß die Polizei auf den Geräteverschlag, der auf Veranlassung des Campingplatzbetreibers ebenfalls vom Abrissunternehmer abgerissen werden sollte. Dabei gab der Campingplatzbetreiber heute gegenüber der Polizei an, dieser Verschlag sei dem Hauptbeschuldigten zuzuordnen. Der Ermittlungskommission „Eichwald“ war diese Information bislang nicht bekannt. (…)

Der unverschlossene Verschlag wurde daraufhin von Polizeibeamten bewacht und mit Zustimmung des Rechtsanwalts des Beschuldigten unmittelbar durchsucht. Es wurden Werkzeuge und Metallschrott aufgefunden. Gegenstände, die als Beweismittel in Frage kommen könnten, wurden nicht festgestellt. Dem äußeren Anschein nach wurde der Schuppen schon sehr lange nicht mehr betreten.“

Zugleich geben die Behörden jedoch an, dass der Campingplatz-Inhaber dem widerspricht, da er die Polizei nach eigener Aussage bereits vor längerer Zeit über dieses Besitzverhältnis informiert habe.

Laut Medienberichten seien die Ermittler jedoch erst durch kritische Anfragen von Journalisten auf den Geräteverschlag aufmerksam geworden, was aus der oben zitierten Presseerklärung nicht eindeutig hervorgeht.

Besonders brisant ist jedoch eine weitere Auslassung: Das Abbruchunternehmen hat den Verschlag womöglich vor dem Zeitpunkt der ersten polizeilichen Durchsuchung längst ausgeräumt, was Fragen aufwirft, ob womöglich weitere potenzielle Beweismittel entwendet werden oder verlustig gehen konnten, und wie geschulte Beamte dennoch zu dem Ergebnis kommen konnten, dass der Verschlag schon länger nicht mehr betreten worden sei.

Einem Bericht von Spiegel Online zufolge sekundierte das Innenministerium der Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei jedoch zunächst wie folgt:

„Dass dieser Geräteschuppen erst jetzt dem Tatverdächtigen zugeordnet werden konnte, liegt an den nur schwer zu klärenden Nutzungsverhältnissen auf dem Campingplatz.“

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/luegde-so-versagen-die-behoerden-im-mutmasslichen-missbrauchsfall-a-1263203.html

Doch auch diesbezüglich wird der Inhaber des Eichwaldes überdeutlich:

„Schwer zu klärende Verhältnisse? Campingplatzchef Frank S. schüttelt den Kopf, er sagt: ‚Das ist Blödsinn. Der Schuppen stand direkt hinter der Parzelle, wem bitteschön sollte er denn sonst gehören?'“

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/luegde-so-versagen-die-behoerden-im-mutmasslichen-missbrauchsfall-a-1263203.html

Das Material aus dem Verschlag ist nach Angaben des Unternehmens jedenfalls ohne jede polizeiliche Würdigung zu einer Müllverbrennungsanlage transportiert und unter Umständen längst verbannt worden.

Später bezeichnete Innenminister Reul den Umstand, dass die Ermittler den Verschlag übersehen hatten, dann allerdings als eine Fehleinschätzung.

Oberstaatsanwalt Ralf V. weist die Kritik an der Ermittlungsarbeit jedoch zurück und bewertet die jüngsten Funde als für das Verfahren nicht beweiserheblich. Diese Schlussfolgerung erscheint jedoch merkwürdig vor dem Hintergrund, dass Staatsanwaltschaft und Polizei in ihrer achten Presseerklärung wenige Tage zuvor noch mitteilten, dass sich von den „zwei CDs und zwei Disketten“ zu diesem Zeitpunkt „aufgrund von Beschädigungen (…) aktuell lediglich eine CD teilweise auslesen“ lasse und aufgrund des nicht rechtzeitig identifizierten Verschlages gegebenenfalls nicht alle möglichen Beweise sichergestellt worden sind.

In Absprache mit den Angehörigen wurde noch am 18. April 2019 die Behausung des zweiten Hauptbeschuldigten auf dem Campingplatz geräumt. In diesem Fall begleitete die Polizei die Abbrucharbeiten jedoch. Dies geschah nach Angaben der Polizei Bielefeld aus gefahrenabwehrenden Gründen. Am 19. April wurde bekannt, dass das Polizeipräsidium Bielefeld unter Dienst- und Fachaufsicht gestellt worden ist und hochrangige Ministerialbeamte die Arbeit vor Ort begleiten.

Im Nachgang zu den Datenträgerfunden während der unbegleiteten Abbrucharbeiten nach Freigabe der Tatorte wurden schließlich erhebliche Unterschiede zwischen der Sachverhalts- und Lagebewertung der Detmolder Staatsanwaltschaft und derjenigen von Innenminister Reul deutlich. Die Staatsanwaltschaft stufte die neuentdeckten Datenträger als für das Verfahren irrelevant ein und gab vor, man möge sich auf das vorhandene Material konzentrieren, wohingegen Reul verlautbarte, dass man weiter untersuchen müsse, da jeder neue Fund wichtige Hinweise liefern könne.

So ist die Ermittlungskommission zum Missbrauchskomplex mehrfach auf aktuell nun 79 Beamte aufgestockt worden, um unter anderem umfangreiche Befragungen aller dortigen Camper durchzuführen.

Ebenfalls in der Sondersitzung des Innenausschusses am 30. April gab Herbert Reul bekannt, dass auf einem der im Rahmen der Abbrucharbeiten aufgetauchten Datenträger nachträglich kinderpornografisches Material identifiziert werden konnte.

Ende April/Anfang Mai 2019 entwickelte sich dann eine Affäre um den zuständigen Abbruchunternehmer, Christopher W., wonach dieser laut mehreren Medienberichten, die sich wiederum auf Informationen aus Polizeikreisen beriefen, der so genannten Reichsbürgerszene, die den deutschen Staat und seine Institutionen ablehnt, weltanschaulich nahestehe.

„Anonyme Ermittler werden zudem mit dem Hinweis zitiert, dass der Abrissunternehmer die Datenträger ‚theoretisch auch selbst in den Schutt gemischt haben könnte, um die Polizei zu diskreditieren, die den Campingplatz zuvor mehrfach durchsucht hatte. Das sei eine für Reichsbürger typische Motivation‘.“

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/luegde-141.html

Christopher W. widerspricht den Vorwürfen, er weise eine solche Nähe auf, jedoch entschieden. Der Anwalt des Unternehmers zeigte sich irritiert und stellte die Vorwürfe gegen seinen Mandanten in einen Zusammenhang mit den Ermittlungsfehlern im Komplex um den sexuellen Missbrauch. Er hielte sogar eine Diskreditierungskampagne für möglich, da sein Mandant Missstände aufgedeckt habe.

Am 5. Mai berichtete der Westdeutsche Rundfunk, dass dem WDR-Magazin Westpol ein bislang unveröffentlichter interner Bericht der Kreispolizeibehörde Lippe vom 11. Januar 2019 vorliege. Dieser sei an das Landeskriminalamt und drei Tage später an das Innenministerium versandt worden. Aus diesem Bericht gehe das Ausmaß des Missbrauchsfalls auf dem Campingplatz eindeutig und damit bereits Mitte Januar hervor. Der Innenminister übertrug das Ermittlungsverfahren demgegenüber jedoch erst am 31. Januar auf das Polizeipräsidium Bielefeld.

Möglicherweise hätte auch Mario S. an weiteren Sexualstraftaten gehindert werden können. Ende Mai 2019 berichtet die Süddeutsche Zeitung unter Bezugnahme auf die Anklageschrift:

„Wie Dauercamper Andreas V., auf dessen Treiben schon im Jahr 2016 Hinweise bei den Behörden eingegangen sein sollen, hätte womöglich auch Mario S. früher gestoppt werden können. Weil ein Kind im September 2017 einer Mitarbeiterin des Jugendamts Höxter erzählt haben soll, dass es bei Mario S. im Bett schlafe und der Mann es auf den Mund küsse, erließ die Behörde laut Anklage ein Kontaktverbot gegen Mario S. Zudem habe die Mutter die Auflage bekommen, ihr Kind nicht mehr allein zu Mario S. zu lassen. Das Jugendamt Höxter äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem Vorgang. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft Paderborn in den Jahren 2004 und 2013 gegen S. wegen des Verdachts auf sexuellem Missbrauch von Kindern ermittelte – beide Verfahren wurden eingestellt.“

https://www.sueddeutsche.de/panorama/luegde-missbrauch-anklage-mario-s-campingplatz-1.4467623-2

Der Missbrauchs- und Behördenskandal reicht in der Gesamtschau weit über die Geschäftsbereiche des Ministeriums des Innern und des Innenausschusses hinaus. Sich verdichtende Hinweise auf individuelles Versagen und strukturelle behördliche Defizite finden sich auch bei den zuständigen Jugendämtern. Die Frage nach einer erforderlichen Sensibilisierung für Anzeichen für sexuellen Missbrauch ist auch schulpolitisch bedeutsam.

Ein Kommentator der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung fand am frühen Donnerstagabend des 14. März 2019, nachdem Minister Herbert Reul den Mitgliedern des Innenausschusses kurz zuvor von weiteren skandalösen Erkenntnissen zu weiteren Opfern, schwerwiegendem Behördenversagen und Ermittlungen gegen einen temporär leitenden Polizeibeamten berichten musste, drastische Worte, um das Ausmaß des Skandals einzuordnen:

„Schlampige Ermittlungen, verschwundene Beweise, suspendierte Polizisten, Behördenversagen aller Orten und eine wöchentlich wachsende Zahl missbrauchter Kinder.

Der Abgrund vom Campingplatz „Eichwald“ in Lügde erinnert allmählich an eine deutsche Version des grausamen Falls „Dutroux“, der in den 90er Jahren halb Europa entsetzte.“

https://www.waz.de/meinung/der-deutsche-fall-dutroux-id216665499.html

II. Untersuchungsauftrag und Erkenntnisinteresse

  1. Der Ausschuss erhält den Auftrag, mögliche Versäumnisse, den Verdacht auf Strafvereitelung im Amt, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten der Landesregierung, insbesondere des Ministeriums des Innern, und untergeordneter Landesbehörden, insbesondere der Kreispolizeibehörde, des Jugendamtes und des Landrates des Kreises Lippe beim Umgang mit dem tausendfachen, mutmaßlich jahrzehntelangen und systematischen Missbrauch von zahlreichen Kindern auf einem Campingplatz in Lügde und Umgebung durch mehrere Tatverdächtige zu untersuchen. Hierbei sind ebenfalls sämtliche intra- und interbehördlichen Informationsflüsse zwischen und auf allen Hierarchieebenen relevant.
  2. Überdies soll sich der Ausschuss ein Gesamtbild des Zusammenwirkens der Kommunal- und Landesbehörden Nordrhein-Westfalens mit Kommunal- und Landesbehörden des Bundeslandes Niedersachsen verschaffen und dabei mögliche Versäumnisse, den Verdacht auf Strafvereitelung im Amt, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten im Rahmen dieser länderübergreifenden behördlichen Zusammenarbeit aufklären.
  3. Ferner erhält der Ausschuss den Auftrag, öffentliche Reaktionen von Mitgliedern der Landesregierung und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kommunikation gegenüber dem Parlament aller beteiligten Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen vor und nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals zu untersuchen.
  4. Schließlich soll der Untersuchungsausschuss erörtern, welche möglichen personellen, strukturellen, haushalterischen und gesetzgeberischen Konsequenzen in den Bereichen Personalgewinnung, Ausbildung, Amtsführung, Behördenorganisation, der technischen Ausstattung von Ermittlungsbehörden und Jugendämtern und hinsichtlich der Ausgestaltung des Sexualstrafrechts und des Polizeirechts aus dem jahrzehntelang unentdeckten Missbrauch in Lügde und dem defizitären Umgang der beteiligten Behörden damit gezogen werden müssen.

Im Einzelnen wird der Parlamentarische Untersuchungsausschuss beauftragt, nachfolgende Fragen zu beantworten, die analytisch je nach Vorkenntnissen und nach der konkreten Gestalt des jeweilig zu durchdringenden Gegenstandes zwischen der Mikro-, Meso- und Makroebene oszillieren.

Themenkomplex I: Versäumnisse, Unterlassungen, mögliche Straftaten, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten in der Kreispolizeibehörde Lippe, im Jugendamt des Kreises Lippe, des Landrates des Kreises Lippe, des Polizeipräsidiums Bielefeld, der Staatsanwaltschaft Detmold, des Jugendamtes des Kreises Höxter und der Staatsanwaltschaft Paderborn unter Berücksichtigung sämtlicher intra- und interbehördlichen Informationsflüsse

Themenkomplex I. a. Kreispolizeibehörde Lippe

  1. Wie gestaltete sich die polizeiliche Sachbearbeitung von eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweisen auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V.?
    1. Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamten hat/haben eingehende Anzeigen wegen des Verdachtes auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweisen auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahr 2002 bearbeitet?
    2. In welcher Form hat/haben der Polizeibeamte bzw. die Polizeibeamten die eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahre 2002 bearbeitet??
    3. Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamte hat/haben eingehende Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahr 2008 bearbeitet?
    4. In welcher Form hat/haben der Polizeibeamte bzw. die Polizeibeamten die eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahre 2008 bearbeitet??
    5. Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamte hat/haben eingehende Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahre 2016 bearbeitet?
    6. In welcher Form hat/haben der Polizeibeamte bzw. die Polizeibeamten die eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahr 2016 bearbeitet??
    7. Hat eine Mutter einer Opferfamilie tatsächlich gegenüber der Kriminalpolizei Detmold mehrfach angegeben, dass der Haupttäter ihr mögliche Verstecke für Gegenstände verraten habe?
      1. Wenn, ja: Warum ist diese mögliche Information nicht ordnungsgemäß bearbeitet und weitergeleitet worden?
      2. Hätte die ordnungsgemäße Sachbearbeitung und Weiterleitung dieser Zeugenaussagen Einfluss auf die Ausgestaltung des Durchsuchungsbeschlusses haben können, sodass dieser unter Umständen auch das Aufbrechen von Böden und Wänden enthalten hätte?
    8. Welche behördlichen Standards zur Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen und Anzeigen gibt es?
    9. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    10. Sind dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevante Verstöße gegen mögliche behördliche Standards zur polizeilichen Sachbearbeitung von Hinweisen und Anzeigen im Dienstalltag in der Kreispolizeibehörde Lippe identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    11. Welche Mechanismen zur Kontrolle einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung von eingehenden Anzeigen und Hinweisen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen innerhalb der Gliederung der Kreispolizeibehörde?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  2. Wie gestaltete sich die Sicherung und Aufbewahrung von Beweismitteln und die Tatortaufnahme durch die Kreispolizeibehörde Lippe bis zur Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch das Polizeipräsidium Bielefeld ab dem 31. Januar 2019 aufgrund eines Ministererlasses?
    1. Welche dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevanten Verstöße gegen den gesetzlich in § 44 PolG NRW geregelten und mit Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 „Behandlung von Verwahrstücken im Bereich der Polizei“ umgesetzten Umgang mit Asservaten sind in der Kreispolizeibehörde Lippe im Dienstalltag, insbesondere bezüglich des Umgangs mit Asservaten im Missbrauchsfall in Lügde und bezüglich des Umgangs mit den in diesem Fall verschwundenen bzw. entwendeten Asservaten, identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße gegen die in 2.1. genannten Vorgaben auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    2. Gibt es in der Kreispolizeibehörde Lippe behördenspezifische Dienstanweisungen, die den Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 ergänzen?
      1. Welche dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevanten Verstöße gegen mögliche behördenspezifische Dienstanweisungen der Kreispolizeibehörde Lippe, die den Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 ergänzen, sind in der Kreispolizeibehörde Lippe im Dienstalltag, insbesondere bezüglich des Umgangs mit Asservaten im Missbrauchsfall in Lügde und bezüglich des Umgangs mit den in diesem Fall verschwundenen bzw. entwendeten Asservaten, identifizierbar?
      2. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße gegen die in 2.2. genannten Vorgaben auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      3. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
      4. Verstoßen die möglichen behördenspezifischen Dienstanweisungen der Kreispolizeibehörde Lippe zum Umgang mit Asservaten gegen § 44 PolG NRW und/oder den Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029?
    3. Erscheinen die bestehenden Standards des § 44 PolG NRW, des Runderlasses und möglicher behördenspezifischer Dienstanweisungen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    4. Welche Mechanismen zur Kontrolle eines dem § 44 PolG NRW, dem Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 und möglichen, den Runderlass ergänzenden behördenspezifischen Dienstanweisungen gemäßem Umgangs mit Asservaten gibt es in der Kreispolizeibehörde Lippe?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    5. Warum wurden bei weiteren Durchsuchungen noch physisch besonders auffällige Beweismittel gefunden und waren nicht bereits zuvor sichergestellt?
    6. Waren die Tatorte nach der jeweils ersten Tatortaufnahme jederzeit ausnahmslos ordnungsgemäß und lagegerecht vor (manipulativen) Zugriffen gesichert?
    7. Welchen Einfluss auf die Verwertbarkeit der Asservate im zukünftigen Prozess vor der Jugendschutzkammer des Detmolder Landgerichts könnte die Feststellung des Ministeriums des Innern haben, dass der Schutz der Asservate vor Manipulation oder unberechtigten Zugriffen erst seit der Übernahme der Ermittlungen durch das Polizeipräsidium Bielefeld gewährleistet sei?
  3. Wie sind die Personalqualität, die Personalstärke, und der Personaleinsatz in der Kreispolizeibehörde Lippe zu beurteilen?
    1. Warum sichtete ein Polizeianwärter die Datenträger?
    2. Warum wurde nicht auf die neu angeschafften Rechner sowie auf die geschulten IT-Kräfte zurückgegriffen?
    3. Korrelieren die Anschaffung neuer Rechner und die Festnahme des mutmaßlichen Haupttäters miteinander, oder handelt es sich um eine zeitliche Koinzidenz?
    4. Warum wurden Kinder nicht durch besonders geschulte Beamte vernommen?
    5. Wurde der BKV-Personalschlüssel für die Kreispolizeibehörde Lippe eingehalten?
      1. Ist der BKV-Personalschlüssel hinsichtlich der Gewährleistung größtmöglicher Sicherheit für die Bürger Nordrhein-Westfalens adäquat?
      2. Wie unterscheidet sich der nordrhein-westfälische BKV-Personalschlüssel von denen anderer Bundesländer mit geringerer Kriminalitätsrate (z.B. Bayern)?
      3. Gibt es zugleich einen qualitativen Personalschlüssel? Gibt es Soll-Stellen für besonders geschultes Personal, wie beispielsweise für den Bereich „Kindesmissbrauch“?
      4. Erscheint dieser mögliche Schlüssel vor dem Hintergrund der fallbezogenen Erkenntnisse angemessen?
      5. Wie sind mögliche qualitative Personalschlüssel in anderen Bundesländern gestaltet?
    6. Welchen Einfluss hatten einschlägig vorbestrafte Beamte auf die defizitären Ermittlungen?
    7. Sind die dienstrechtlichen Konsequenzen im Falle von Straftaten durch Polizeibeamte ausreichend, um sowohl Fehler bei Ermittlungsverfahren zu minimieren als auch das Ansehen der Polizei bei den Bürgern zu gewährleisten?
    8. Sind mögliche dienstrechtliche Vorschriften hinsichtlich der Inkenntnissetzung sowie fakultativer oder zwingender Hilfeersuchen an höhere Behörden eingehalten worden?
    9. Sind die diesbezüglichen Vorschriften ausreichend, um ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden?

Themenkomplex I. b. Kreisjugendamt Lippe

  1. Wie viele Mitarbeiter sind für wie viele Fälle im Jahr verantwortlich?
  2. Ist das Kreisjugendamt personell und sachlich für seine Aufgaben adäquat ausgestattet, um das Kindeswohl in jedem Fall zu gewährleisten?
  3. Gibt es verbindliche Standards bei der Auswahl von Pflegeeltern?
  4. Sind diese möglichen Standards im vorliegenden Fall eingehalten worden?
  5. Welchen Veränderungsbedarf gibt es hinsichtlich der Etablierung von am Kindeswohl orientierten Standards bei der Auswahl von Pflegeeltern sowie deren Einhaltung respektive Kontrolle und etwaigen Sanktionierung?
  6. Wie gestaltete sich der Umgang des Jugendamtes des Kreises Lippe mit Hinweisen auf Sexualpräferenzen, mögliche Sexualstraftaten und die Lebensumstände des Haupttatverdächtigen?
    1. Was war dem Amt, zu welchem Zeitpunkt bekannt?
    2. Durch welche Person bzw. welche Institution (z.B. Polizeibehörden, NGOs, etc.) hat das Amt Kenntnis bekommen?
    3. Welche behördlichen Standards zur Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen gibt es?
    4. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    5. Sind dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevante Verstöße gegen mögliche behördliche Standards zur jugendamtlichen Sachbearbeitung von Hinweisen im Dienstalltag im Kreisjugendamt Lippe identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    6. Welche Mechanismen zur Kontrolle einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen innerhalb der Gliederung des Kreisjugendamtes?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  7. Im Hinblick auf die Aktenmanipulationen im Jugendamt Hameln-Pyrmont: Gibt es Standards zur Kontrolle? Wären in Nordrhein-Westfalen vergleichbare Vorgänge möglich?

Themenkomplex I. c. Landrat des Kreises Lippe

  1. Welches Fehlverhalten lässt sich hinsichtlich der Arbeit des Landrats Lippe identifizieren?
  2. Ist die Aufsichtspflicht gegenüber der Kreispolizeibehörde und des Jugendamts des Kreises Lippe zeitnah und einwandfrei erfolgt?
  3. Welche Maßnahmen wurden hinsichtlich der Betreuung der Opfer und ihrer Angehörigen ergriffen?
  4. Erscheinen die ergriffenen Maßnahmen der Opferbetreuung vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?

Themenkomplex I. d. Polizeipräsidium Bielefeld und Staatsanwaltschaft Detmold

  1. War die Entscheidung, die Abrissarbeiten nicht dauerhaft polizeilich zu begleiten, lageangemessen und nachvollziehbar begründet?
  2. Hätte spätestens ab dem ersten Neufund von Datenträgern eine dauerhafte polizeiliche Begleitung der weiteren Arbeiten sichergestellt werden müssen?
  3. Warum schlussfolgern die Polizei Bielefeld und die Staatsanwaltschaft Detmold einen genauen Fundort der nachträglich entdeckten Datenträger auch aufgrund einer etwaigen Aussage des Abbruchunternehmers, obgleich dieser öffentlich angibt, nicht zu wissen, wo sich das Material genau befunden habe?
  4. Trifft es zu, dass der Campingplatz-Inhaber die Polizei bereits vor längerer Zeit darüber informiert hat, dass der zu spät identifizierte Geräteverschlag dem Haupttatverdächtigen zuzuordnen ist?
  5. Wenn, ja: Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamten hat/haben etwaige Hinweise des Campingplatz-Inhabers auf Nutzungsverhältnisse, in welcher Form bearbeitet?
    1. Sind dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevante Verstöße gegen mögliche behördliche Standards zur polizeilichen Sachbearbeitung von Hinweisen und Anzeigen im Dienstalltag des Polizeipräsidiums Bielefeld im Zusammenhang mit dem Ermittlungskomplex Lügde identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    2. Welche Mechanismen zur Kontrolle einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung von eingehenden Anzeigen und Hinweisen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen innerhalb des Polizeipräsidiums Bielefeld?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  6. Wieso sind die Ermittler nach wochenlanger Tatortarbeit nicht eigenständig auf den räumlich naheliegenden Verschlag aufmerksam geworden?
  7. Sind die Behörden erst durch Journalisten auf den Verschlag aufmerksam geworden?
  8. Ist es möglich, dass sich im vor der ersten Durchsuchung ausgeräumten Verschlag oder in bereits abtransportiertem Schutt weitere Beweismittel befunden haben?
  9. Wie konnten geschulte Beamte zu dem Ergebnis kommen, dass der Geräteverschlag schon länger nicht mehr betreten worden sei, obgleich dieser zuvor von dem Abbruchunternehmen ausgeräumt worden war?
  10. Wie gestaltete sich die Tatortarbeit des Polizeipräsidiums Bielefeld in der Gesamtschau?
  11. Wie kann der Oberstaatsanwalt zu der Bewertung gelangen, dass die jüngsten Funde für das Verfahren nicht beweiserheblich sind, wenn doch kurz zuvor mitgeteilt werden musste, dass ein Teil der Datenträger beschädigt ist?

Themenkomplex I. e. Jugendamt des Kreises Höxter und Staatsanwaltschaft Paderborn

  1. Wie gestaltete sich der Umgang des Jugendamts des Kreises Höxter mit Hinweisen auf Sexualpräferenzen, mögliche Sexualstraftaten und die Lebensumstände von Mario S.?
    1. Was war dem Amt zu welchem Zeitpunkt bekannt?
    2. Durch welche Person bzw. welche Institution (z.B. Polizeibehörden, NGOs, etc.) hat das Amt Kenntnis bekommen?
    3. Welche behördlichen Standards zur Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen gibt es?
    4. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    5. Sind dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevante Verstöße gegen mögliche behördliche Standards zur jugendamtlichen Sachbearbeitung von Hinweisen im Dienstalltag im Kreisjugendamt Höxter identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    6. Welche Mechanismen zur Kontrolle einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen innerhalb der Gliederung des Kreisjugendamts?
    7. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
    8. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  2. Sind die Ermittlungsverfahren gegen Mario S. in den Jahren 2004 und 2013 durch die
    Staatsanwaltschaft Paderborn ordnungsgemäß geführt und sachlich ausreichend begründet eingestellt worden?

Themenkomplex II: Informationsflüsse zwischen Unter-, Mittel-, Landesoberbehörden und Ministerien, Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten in Landesoberbehörden und in Ministerien

  1. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen dem nordrhein-westfälischen Landesjugendamt und dem Kreisjugendamt Lippe?
    1. Sind die dafür geltenden Standards eingehalten worden (pro-, wie reaktiv)?
    2. Sind die Kontroll-, Aufsichts- und Sanktionsmöglichkeiten des Landesamtes ausreichend?
  2. Sind im vorliegenden Missbrauchsfall polizeiliche WE-Meldungen ausnahmslos und fristgerecht anhand der geltenden Vorschriften erfolgt?
  3. Sind die Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten für den Fall ausreichend, dass gegen solche Vorschriften verstoßen wird?
  4. Wann ist welche Behörde, auf welcher Hierarchieebene zuständig?
    1. Wann hätte beispielsweise das Polizeipräsidium Bielefeld durch die Kreispolizeibehörde Lippe eingeschaltet werden müssen?
    2. Wann hätte das Landesjugendamt durch das Kreisjugendamt eingeschaltet werden müssen?
  5. Sind die Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten der ministeriellen Ebene hinsichtlich eines ordnungsgemäßen Informationsaustausches zwischen Unter-, Mittel- und Landesoberbehörden ausreichend?
  6. Auf welche Weise, und aus welchen Sachgründen hat sich die Abteilung Polizei des Ministeriums des Innern pro- und/oder reaktiv in die Ermittlungen eingeschaltet?
  7. Reichen die strukturellen Dienstaufsichts- und Qualitätssicherungsbefugnisse des Ministeriums des Innern aus?
  8. Wie gestaltete sich die Kommunikation zwischen dem Ministerium des Innern, dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW, dem Polizeipräsidium Bielefeld und der Kreispolizeibehörde Lippe vor dem Hintergrund zeitlicher Verzögerungen im Detail?
  9. Hätte der Innenminister unmittelbar nach Kenntniserlangen des internen Berichtes der Kreispolizeibehörde Lippe vom 11. Januar 2019 die Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch das Polizeipräsidium Bielefeld qua Erlass verfügen müssen?
  10. Wie ist die eingesetzte „Task Force Lügde“ horizontal und vertikal mit den zuständigen Behörden verschränkt? Welche möglichen Weisungsbefugnisse bestehen?
  11. Welche fallbezogenen Informationsflüsse gab es zwischen der Staatsanwaltschaft Detmold und dem Ministerium der Justiz?
  12. Welche fallbezogenen Informationsflüsse gab es zwischen dem Ministerium des Innern und dem Justizministerium?
  13. Welche Befugnisse hat die neue Stabsstelle Kindesmissbrauch? Wie ist diese in die bisherigen Polizeiaufbaustrukturen Nordrhein-Westfalens integriert?
  14. Wie ist die Entscheidung von Innenminister Reul, weitere Ermittlungen auf dem Campingplatz durchzuführen, nachdem der Staatswalt die Tatorte bereits freigegeben hatte, zu bewerten?

Themenkomplex III: Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten bezüglich etwaiger interbehördlicher Informationsflüsse zwischen sämtlichen Behörden der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen

  1. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen den Kreispolizeibehörden Lippe und Hameln-Pyrmont?
  2. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen der Kreispolizeibehörde Lippe, dem Jugendamt Hameln-Pyrmont und der sozialpädagogischen Familienhilfe?
  3. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen den Kreisjugendämtern Lippe und Hameln-Pyrmont und der sozialpädagogischen Familienhilfe?
  4. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen der Kreispolizeibehörde Hameln-Pyrmont und dem Jugendamt Lippe?
  5. Welche behördlichen Standards gibt es in beiden Bundesländern bei Kreispolizeibehörden und Kreisjugendämtern bezüglich des interbehördlichen Informationsaustausches und der anschließenden Sachbearbeitung von eingehenden Informationen?
  6. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  7. Wo sind im Rahmen der oben genannten interbehördlichen und fallbezogenen Informationsflüsse Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten identifizierbar, die dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevant sind und gegen mögliche behördliche Standards verstoßen?
    1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen oder einer strukturellen Ebene?
    2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
  8. Welche Mechanismen zur Kontrolle eines ordnungsgemäßen Informationsaustausches und einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung interbehördlich ausgetauschter Informationen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen?
    1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
    2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse ausreichend?
  9. Welche Maßnahmen wurden hinsichtlich der Betreuung der Opfer und ihrer Angehörigen durch die Landesregierung in Absprache mit dem Kreis Lippe ergriffen?

Themenkomplex IV: Öffentliche Reaktionen von Mitgliedern der Landesregierung, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kommunikation gegenüber dem Parlament aller beteiligten Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen

  1. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, hat datenschutzrechtliche Bedenken bezüglich der öffentlichen Äußerungen des Ministers des Innern, Herbert Reul, über die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen einzelne Beamte im Zusammenhang mit dem Missbrauchs- und Behördenskandal und des Vorgehens des Innenministeriums angemeldet. Die GdP hat daher die Landesdatenschutzbeauftragte eingeschaltet. Wie sind die öffentlichen Aussagen des Innenministers über die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen einzelne Beamte im Zusammenhang mit dem Missbrauchs- und Behördenskandal und das Vorgehen des Innenministeriums bei behördeninternen Ermittlungen und Datenerhebungen zu diesem Zwecke zu bewerten?
    1. Hat Herbert Reul als oberster Dienstherr durch öffentliche Aussagen Datenschutzgrundsätze verletzt?
    2. Hat Herbert Reul durch seine Aussagen das Vertrauensverhältnis zwischen den nordrhein-westfälischen Polizeivollzugsbeamten und ihrem obersten Dienstherren nachhaltig beschädigt?
    3. Sind im Rahmen von internen Ermittlungen und Datenerhebungen, deren Ergebnisse teils öffentlich kommuniziert worden sind, Datenschutzgrundsätze verletzt worden?
  2. Im schriftlichen Nachbericht der Landesregierung für die Sitzung des Innenausschusses am 14. März 2019 bezüglich eines Fragenkatalogs der SPD-Fraktion vom 26. Februar 2019 antwortet das Ministerium auf Frage 26, was Herbert Reul konkret meine, wenn er sagt, es bleibe bei den Ermittlungen „kein Stein auf dem anderen“: „Der Minister des Innern meint damit, dass alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden und die Fälle besonders sorgfältig aufgearbeitet werden. Dies beinhaltet auch konkret die vollumfängliche Spurensuche und Beweissicherung vor Ort.“ Bedeutet diese Aussage im Umkehrschluss also, dass in anderen, nicht derart öffentlich beleuchteten Ermittlungsverfahren nicht sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, die Fälle nicht besonders sorgfältig aufgearbeitet werden und vor Ort keine vollumfängliche Spurensuche und Beweissicherung gewährleistet ist?
  3. Hat die öffentliche Mutmaßung Herbert Reuls, wonach die verschwundene Asservate keine Auswirkungen auf die Anklageerhebung haben werden, obgleich die Landesregierung nicht ausschließen kann, dass damit möglicherweise Daten über weitere Täter oder auch entlastendes Material abhandengekommen sein könnten, der Vertrauenswürdigkeit des Amtes des Innenministers geschadet?
  4. Hat die öffentliche Mutmaßung Herbert Reuls, wonach es seiner Großmutter aufgefallen wäre, dass in Lügde etwas nicht stimme, um auf ein mutmaßliches umfassendes Behördenversagen aufmerksam zu machen, vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse in unangemessener Weise die Arbeit ganzer Behörden und unbescholtener Beamter in Mithaftung genommen?
  5. Wieso bewertete das Innenministerium die Besitzverhältnisse auf dem Campingplatz zunächst als schwer identifizierbar, obgleich sich der zu spät identifizierte Verschlag unmittelbar am Grundstück des Andreas V. befand?
  6. Wieso kommt Innenminister Reul später in Widerspruch dazu zu dem Ergebnis, dass es eine Fehleinschätzung gewesen sei, dass die Ermittler den Geräteverschlag zunächst übersehen haben?
  7. Wie sind die öffentlichen Äußerungen Herbert Reuls, wonach er die Ermittlungen zur Chefsache gemacht habe und fortan kein Stein auf dem anderen bleibe, vor dem Hintergrund weiterer Ermittlungsfehler in der Zeit danach (Datenträger im Bauschutt, Geräteverschlag nicht identifiziert, etc.) zu bewerten?
  8. Wie ist der Vorgang um die mutmaßliche Weitergabe von ebenfalls mutmaßlichen Behördenerkenntnissen über eine Nähe des Abbruchunternehmers Christopher W. zu der so genannten Reichsbürgerszene zu bewerten?
    1. Entsprechen die mutmaßlich in die Presseöffentlichkeit lancierten Behauptungen über den Unternehmer dem tatsächlichen Kenntnisstand der Behörden des Bundeslandes NRW?
    2. Welche Beamten haben diese Informationen, an welche Medien weitergegeben?
    3. Welchen Zweck haben die entsprechenden Beamten damit verfolgt, sofern dies der Wahrheit entspricht?
    4. Haben die Beamten damit möglicherweise disziplinar- und/oder strafrechtlich relevante Verstöße begangen?

Themenkomplex V: Personelle, strukturelle, haushalterische und gesetzgeberische Konsequenzen in den Bereichen Personalgewinnung, Ausbildung, Amtsführung, Behördenorganisation, der technischen Ausstattung von Ermittlungsbehörden und hinsichtlich der Ausgestaltung des Sexualstrafrechts und des Polizeirechts

  1. Wie gestaltet sich die vertikale und horizontale Organisationsstruktur des Jugendamtswesens in Nordrhein-Westfalen?
    1. Welche Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsebenen und -möglichkeiten existieren für diese?
    2. Sind die Landesjugendämter hinsichtlich ihrer Personalstärke sowie ihrer rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Kreisjugendämter ausreichend ausgestattet?
  2. Hat das Land für ausreichende Standardisierungen bei der Auswahl von Pflegeeltern sowie und bei der (auch psychologischen) Begleitung der betroffenen Kinder gesorgt?
  3. Sind die Kreisjugendämter mit Personal, Sachmitteln und der Möglichkeit zur Fortbildung ausreichend ausgestattet?
  4. War das Einräumen der Möglichkeit, kleineren Kommunen die Einrichtung eines eigenen Jugendamtes zu erlauben, richtig, und wurde diese Entscheidung von Seiten des Landes ausreichend hinsichtlich der Finanzierung, der personellen und sachlichen Ausstattung sowie dienstrechtlicher Kontroll-, Aufsichts- und Sanktionsmöglichkeiten begleitet?
  5. Ist der Personalschlüssel für die zu bewältigenden Fallzahlen immer ausreichend? Wer kontrolliert dies und schafft pro- oder reaktiv Abhilfe?
  6. Lassen sich mögliche Probleme für die Gewährleistung des Kindeswohls durch mangelnde Ausstattung, Doppelzuständigkeiten und/oder mangelnde Kontrollmöglichkeiten identifizieren?
  7. Ist eine Reform des Jugendamtswesens in Nordrhein-Westfalen geboten, um das Kindeswohl besser zu gewährleisten als dies bisher der Fall ist, oder reichen Einzelmaßnahmen, die Etablierung von landesweiten Standards sowie ein höherer Mitteleinsatz aus?
  8. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, den BKV-Personalschlüssel für Soll-Stellen der nordrhein-westfälischen Landespolizei in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu verbessern?
  9. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die in § 44 PolG NRW geregelten, mit dem Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 umgesetzten und durch mögliche behördenspezifischen Dienstanweisungen der unteren Landesbehörden ergänzten Standards zum Umgang mit Asservaten sowie die Kontrollmechanismen eines ordnungsgemäßen Umgangs zu verbessern?
  10. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die Standards der polizeilichen Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen und Anzeigen sowie die Kontrollmechanismen einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu verbessern?
  11. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die Standards der Sachbearbeitung von interbehördlicher und länderübergreifenden Informationsflüssen und die Kontrollmechanismen einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung bei Jugendämtern und Polizeibehörden zu verbessern?
  12. Ist eine (umfassende) Reform der vielgliedrigen Polizeistruktur Nordrhein-Westfalens mit ihrem komplexen Zuständigkeitsgeflecht geboten, um die Sicherheit der Bürger besser zu gewährleisten als dies bisher der Fall ist, oder reichen Einzelmaßnahmen und ein höherer Mitteleinsatz aus?
  13. Sind die Sanktionsmöglichkeiten des Dienstrechts ausreichend geschärft?
  14. Sind die verschiedenen Zuständigkeiten auf ministerieller Ebene für den Bereich des Kinder- und Jugendschutzes noch zielgenau aufgeteilt, oder bedarf es anders konzipierter Bündelungen von Kompetenzen?
  15. Erscheint der Strafrahmen in der gegenwärtigen Fassung des Strafgesetzbuches bei Sexualdelikten in jedem Fall angemessen?
  16. Sind die Möglichkeiten der Unterbringung und Therapie für Sexualstraftäter (auch in der Nachsorge) ausreichend?
  17. Wo und wie muss die Landesregierung, insbesondere der Minister des Innern, Form, Zeitpunkt und Inhalt der externen Kommunikation mit dem Parlament, den Medien und der interessierten Öffentlichkeit optimieren?
  18. Muss der Datenschutz bei behördeninternen Ermittlungen und Datenerhebungen zu diesem Zwecke verbessert werden?
  19. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die Betreuung von Opfern und ihren Angehörigen zu verbessern?
  20. Wie kann die Sensibilisierung für und Schulung im Umgang mit möglichem sexuellen Kindesmissbrauch von Lehrern, Ärzten, Vereinen, Kitas, Eltern und weiteren relevanten Kontaktpersonen verbessert werden?

III. Untersuchungszeitraum

Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf den Zeitraum ab dem Jahr 2002, als der erste registrierte Hinweis auf möglichen sexuellen Missbrauch durch den Hauptbeschuldigten bei der Polizei einging, bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses.

IV. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses

Der Landtag Nordrhein-Westfalen setzt einen aus 13 stimmberechtigten Mitgliedern und einer entsprechenden Zahl von stellvertretenden Mitgliedern bestehenden Untersuchungsausschuss ein.

Die Verteilung der zu vergebenden Sitze im Untersuchungsausschuss erfolgt folgendermaßen:

CDU5 Mitglieder
SPD4 Mitglieder
FDP2 Mitglieder
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN1 Mitglied
AfD1 Mitglied

V. Teilweiser und vollständiger Abschlussbericht

Der Untersuchungsausschuss wird beauftragt, soweit möglich nach Abschluss seiner Untersuchungen dem Landtag gemäß § 24 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen einen Abschlussbericht vorzulegen.

Sollte ein Abschlussbericht nicht vorgelegt werden können, hat der Untersuchungsausschuss auf Verlangen des Landtages oder der Antragsteller über abtrennbare Teile des Einsetzungsauftrages dem Landtag einen Teilbericht zu erstatten, wenn die Beweisaufnahme zu diesem Teil abgeschlossen und der Bericht ohne Vorgriff auf die Beweiswürdigung der übrigen Untersuchungsaufträge möglich ist.

Der Landtag kann darüber hinaus vom Untersuchungsausschuss jederzeit, bei Vorliegen eines allgemeinen öffentlichen Interesses oder wenn ein Schlussbericht vor Ablauf der Wahlperiode nicht erstellt werden kann, einen Zwischenbericht über den Stand der Untersuchungen verlangen. Dieser darf eine Beweiswürdigung nur solcher Gegenstände der Verhandlungen enthalten, die der Untersuchungsausschuss mit zwei Dritteln seiner Mitglieder beschlossen hat. Der Abschlussbericht, der Teilbericht oder der Zwischenbericht erfolgen schriftlich.

VI. Einholung externen Sachverstandes

Der Untersuchungsausschuss kann jederzeit externen Sachverstand einholen, sofern dieser zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist und im unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag steht.

Ebenso darf externer Sachverstand zur Klärung von Fragestellungen in Anspruch genommen werden, wenn Rechte des Untersuchungsausschusses oder damit in Verbindung stehende Verfahrensfragen von grundlegender oder auch situativer Notwendigkeit betroffen sind, ohne deren Beantwortung ein Fortführen der Untersuchung nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung möglich ist. Die hierzu notwendigen Mittel sind dem Ausschuss zu gewähren.

VII. Ausstattung und Personal

Dem Untersuchungsausschuss und den Fraktionen werden bis zum Ende des Verfahrens zur Verfügung gestellt:

  1. Allen Fraktionen und den Mitarbeitern des Ausschusses werden die erforderlichen Räume im Landtag und die entsprechenden technischen Ausstattungen zur Verfügung gestellt.
  2. Dem Ausschuss und dem Vorsitzenden werden gestellt:
    1. 2 Stellen für Mitarbeiter des höheren Dienstes;
    2. Eine weitere personelle Unterstützung aus dem höheren/gehobenen Dienst sowie aus dem Assistenzbereich.
  3. Den fünf Fraktionen im Landtag werden gestellt:
    1. Die erforderlichen Mittel für je 2 Stellen für Mitarbeiter des höheren Dienstes;
    2. Eine Halbtagskraft zur Assistenz.

Bezogen auf die Abrechnung können wahlweise Pauschalbeträge bis zur Verabschiedung des Untersuchungsausschussberichts je angefangenen Monat der Tätigkeit gewährt werden. Alternativ werden die Kosten des tatsächlichen Personaleinsatzes abgerechnet.

Abschnitt B

Der Landtag behält sich Erweiterungen des Untersuchungsauftrags um weitere Sachverhalte und Zusammenhänge, die sich aus Erkenntnissen ergeben, die erst während des laufenden Untersuchungsausschusses gewonnen werden, ausdrücklich vor.

Markus Wagner
Andreas Keith
Helmut Seifen
Gabriele Walger-Demolsky
Sven Tritschler
Iris Dworeck-Danielowski
Roger Beckamp
Dr. Christian Blex
Thomas Röckemann
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
Nic Vogel
Herbert Strotebeck

und Fraktion


Antrag (Drucksache 17/6582)
Beratungsverlauf

Der Landtag muss jetzt entschlossen handeln! Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zum Behördenskandal im Zusammenhang mit dem publik gewordenen langjährigen und vielfachen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde darf sich nicht weiter verzögern! („PUA Lügde“)

Abschnitt A

I. Sachverhalt: Aus einem Missbrauchsskandal wird ein Behördenskandal

In einem am Abend des 5. März 2019 ausgestrahlten Beitrag des ZDF-Magazins Frontal21 berichtet die mittlerweile 39 Jahre alte Michaela V., dass einer der mutmaßlichen Haupttäter des Missbrauchsskandals auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde, Andreas V., sie bereits im Jahr 1990 als damals elfjähriges Mädchen sexuell missbraucht habe. Ihr Vater habe ihren Offenbarungen damals jedoch keinen Glauben geschenkt.

Dieser jüngste Tatverdacht läge zeitlich noch einmal deutlich vor den bis dahin der Öffentlichkeit bekannten Verdachtsfällen auf sexuellen Missbrauch durch den Dauercamper Andreas V., der bereits 2002 und 2008 verdächtigt wurde, Kinder missbraucht zu haben. In diesen beiden Fällen blieben die Hinweise, die bei der Polizei eingingen, jedoch folgenlos. Die Hinweise eines Vaters auf Übergriffe durch Andreas V. auf seine Töchter im Jahre 2016, die an die Polizei Lippe weitergegeben wurden, zogen nach Übermittlung der Informationen an das Jugendamt ebenfalls keine Folgen nach sich. Schließlich gingen Kreispolizeibehörde und Jugendamt auch dem Hinweis einer Mitarbeiterin des Jobcenters nicht weiter nach.

Das Jugendamt Lippe behauptet, ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Andreas V. sei in der Behörde nie eingegangen; die Polizei widerspricht dieser Darstellung. Das Jugendamt erteilte V. im selben Jahr mit Einverständnis der Mutter sogar die Pflegeerlaubnis für ein sechsjähriges Pflegekind, das mit dem Tatverdächtigen fortan auf dem Campingplatz lebte.

Allein schon die Erteilung der Pflegeerlaubnis bei diesen äußeren Umständen erscheint dubios.

Im Oktober 2018 zeigte eine Mutter dann den Missbrauch ihrer Tochter durch V. an. Im Laufe der Ermittlungen meldeten sich zwei weitere Opfer bei der Polizei. Allerdings wurde Andreas V. erst Wochen später, am 13. November 2018, das Pflegekind entzogen und dieses in Obhut genommen. Weitere drei Wochen später erfolgten dann die Festnahme und die Unterbringung des Hauptbeschuldigten V. in Untersuchungshaft. Bei Durchsuchungen stieß die Polizei auf zahlreiche Datenträger mit kinderpornografischen Inhalten und weitere Beweismittel. Am 10. und 11. Januar 2019 erfolgten die Festnahmen zweier weiterer Tatverdächtiger, Mario S. und Heiko V. Mario S. wird verdächtigt, neben dem Hauptverdächtigen Andreas V. ebenfalls Kinder auf dem Campingplatz missbraucht zu haben. Heiko V. soll die anderen Männer zu diversen Straftaten angestiftet und mittels Live-Übertragungen bei Missbrauchshandlungen zugesehen haben. Auch bei Durchsuchungen im Zusammenhang mit diesen Festnahmen konnten erneut Datenträger beschlagnahmt werden.

Bis zum 11. Februar 2019 stieg die Gesamtzahl der Tatverdächtigen dann auf sechs Personen. Zwei Eltern werden der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch verdächtigt, eine weitere Person hat mutmaßlich Daten für einen der Hauptverdächtigen gelöscht. Auch bei späteren Durchsuchungen in Wohnungen und Wohnwagen der Haupttatverdächtigen werden immer wieder neue mögliche Beweismittel gefunden, so z.B. am 22. und 27. Februar, sowie am 4. und 5 März 2019.

Ende Februar wurde ein siebter Tatverdächtiger im Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch in Lügde ermittelt. Ein 16-Jähriger wird verdächtigt, im Besitz von Videomaterial, das auf dem Campingplatz entstanden ist, gewesen zu sein. Womöglich könnte der Minderjährige zugleich selbst auch Opfer sein.

Anfang März 2019 berichteten Medien schließlich von einem „mysteriösen Einbruchsversuch“ in den Keller des Elternhauses des Tatverdächtigen Mario S., der diesen mitnutzte. Die Mutter des Tatverdächtigen hatte drei Wochen nach der Festnahme von Mario S. die stark beschädigte Kellertür vorgefunden und dies der Polizei gemeldet.

In der zweiten Märzhälfte hat das zuständige Jugendamt schließlich weitere Kinder in Obhut genommen, die möglicherweise ebenfalls Missbrauchsopfer sind. Es wurde zudem der Verdacht geäußert, dass die betroffenen Eltern oder zumindest einige von ihnen den Täter unterstützt haben könnten, wobei sich die offiziellen Angaben von Regierung und Kreis diesbezüglich zunächst widersprachen.

Ende März 2019 gab Innenminister Reul vor dem Innenausschuss des Landtages sodann bekannt, dass inzwischen gegen einen achten Beschuldigten ermittelt wird. Die Gesamtzahl der Tatverdächtigen sank jedoch Ende April wieder um eine Person, nachdem das Ermittlungsverfahren gegen einen 68-jährigen Mann eingestellt worden ist, da kein hinreichender Tatverdacht vorliegt. In der zehnten gemeinsamen Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Detmold und der Polizei Bielefeld erklären die Ermittler dazu Folgendes:

„Aus der Aussage seiner Tochter hatte sich der Verdacht der Beihilfe zu Taten des Hauptbeschuldigten ergeben. Ihr Vater habe sie weiter dem Hauptbeschuldigten anvertraut, obwohl sie ihm von sexuellen Übergriffen berichtet habe. Die Taten sollen Anfang der 1990er Jahre stattgefunden haben.

Anhaltspunkte dafür, dass der Hauptbeschuldigte bei den von der Zeugin geschilderten sexuellen Handlungen Gewalt oder Drohungen anwandte, haben die Ermittlungen nicht ergeben. Soweit aufgrund des damaligen Alters der heute 39 Jahre alten Zeugin eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Betracht käme, wären die Taten bereits verjährt, sodass sie nicht mehr verfolgt werden könnten.“

https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/12522/4253178

In der zwölften gemeinsamen Presseerklärung teilten die Staatsanwaltschaft Detmold und die Polizei Bielefeld der Öffentlichkeit mit, dass zwischenzeitlich zwar gegen die „Mutter eines Opfers wegen des Verdachts der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern“ ermittelt wurde, das Verfahren mittlerweile jedoch wieder eingestellt ist. Zugleich gebe es einen weiteren Tatverdächtigen. Der 21jährige Mann werde ebenfalls des sexuellen Missbrauchs von Kindern verdächtigt. Insgesamt ermitteln die Behörden somit wieder gegen acht Tatverdächtige. Diese Information über den geistig behinderten und in Betreuung lebenden Mann, der womöglich auch selbst Opfer der Haupttäter sein könnte, ist kurz zuvor bereits aus einem vertraulichen Dokument der Landesregierung für den Rechtsausschuss, das den Medien offenbar zugespielt worden ist, hervorgegangen. Erst durch den Hinweis des Haupttäters Andreas V. ist man auf den Mann aufmerksam geworden. Nach den anderen beiden Haupttätern, Mario S. und Heiko V., zeigt sich nun wohl auch bei Andreas V. eine grundsätzliche Aussagebereitschaft.

Nach aktuellen Ermittlungsergebnissen gehen die Behörden von mindestens 41 Opfern der Haupttäter und von über 1000 Einzeltaten – über viele Jahre hinweg – aus.

Ein hochrangiger Mitarbeiter des Justizministeriums bestätigte in einer Sondersitzung des Innenausschusses am 30. April 2019, dass dem Generalstaatsanwalt in Hamm inzwischen ein Entwurf der Anklageschrift gegen die Hauptbeschuldigten vorliegt. Am Montag, dem 13. Mai 2019, ist dann bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Detmold inzwischen Anklage gegen Andreas V. und Heiko V. erhoben hat.

Jenseits der juristischen Bearbeitung, Klärung und Aburteilung der einzelnen Straftaten bedarf es einer umfassenden politischen und parlamentarischen Aufarbeitung dieses Missbrauchsskandals, der sich nämlich rasch zu einem Behördenskandal entwickelte:

Immerhin hätten zahlreiche Taten möglicherweise verhindert werden können, wären Polizei und Jugendämter den Verdachtsmomenten der Jahre 2002, 2008 und 2016 ordnungsgemäß nachgegangen. Am 21. Februar 2019 wurde der Öffentlichkeit darüber hinaus bekannt, dass 155 Datenträger, die als Beweismittel zuvor gesichert worden waren, aus einer Asservatenkammer der Kreispolizeibehörde Lippe verschwunden sind, die offenkundig meistens zudem nicht ordnungsgemäß verschlossen war. Die erstmalige Sichtung jener Asservate vor ihrem Verschwinden wurde überdies von einem offenbar überforderten Polizeischüler durchgeführt. Gegen einen Polizeibeamten, der von Mitte Dezember 2018 bis Anfang Januar 2019 für zwei Wochen die Ermittlungen zu den Missbrauchsstraftaten auf dem Campingplatz leitete, ist darüber hinaus eine Anzeige wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt im Kontext der Ermittlungen zu einer anderen möglichen Sexualstraftat gestellt worden, da auch in diesem Falle wichtige Beweismittel verschwunden sind. Der Beamte, der auch in zwei weitere Ermittlungsverfahren involviert gewesen ist, in denen Asservate nicht mehr auffindbar waren, ist mittlerweile vom Dienst suspendiert worden. Besonders brisant ist schließlich, dass ebendieser suspendierte und verdächtigte Beamte wiederum der Tutor jenes Polizeischülers, der mit der Auswertung der im Fall „Lügde“ möglicherweise entwendeten Beweismittel beauftragt war, gewesen ist.

In der Kreispolizeibehörde Lippe ist zudem ein weiterer Beamter tätig, der 2011 wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt und in einem Disziplinarverfahren degradiert worden ist. Dies bestätigte auch das Innenministerium am 9. März 2019. Obzwar das Ministerium mitteilt, dass der einschlägig vorbestrafte Beamte nicht in die Ermittlungen zu dem Missbrauchsskandal eingebunden gewesen sei, verweist ein Opferanwalt darauf, dass er aus gesicherter Quelle erfahren habe, dass der Polizist in eben dem Gebäude seinen Dienst verrichte, in dem auch die Ermittlungen stattgefunden hätten. Ein Beitrag der Tagesschau stellt aus diesem Grund die Frage, ob der Beamte theoretisch Zugriff auf Beweismittel gehabt haben könnte. Auch zwei weitere Beamte der Kreispolizeibehörde Lippe sind in der Vergangenheit durch Sexualdelikte auffällig geworden: Ebenfalls 2011 hat ein Beamter in seinem privaten Bad heimlich eine Videokamera installiert, 2013 hat ein so genannter Tutor eine Polizeischülerin belästigt. Der insgesamt unsachgemäße Umgang der Kreispolizeibehörde Lippe mit sichergestellten Asservaten vor der Übernahme der Ermittlungen durch das Polizeipräsidium Bielefeld ließ zwischenzeitlich sogar eine Diskussion über deren Verwertbarkeit vor Gericht aufkommen, da beispielsweise Beweismittelmanipulationen nicht gänzlich ausgeschlossen werden können.

Über den Leiter des Jugendamtes im Kreis Hameln-Pyrmont ist schließlich bekannt geworden, dass er nach der Verhaftung von Andreas V. Akteneinträge manipuliert hat. Der Landrat des Landkreises musste nach der mittlerweile erfolgten umfassenden Aktenauswertung eingestehen, dass der Behörde seit 2016 mehrere Hinweise auf die Sexualpräferenzen des Haupttäters Andreas V. vorlagen, denen man jedoch nicht ordnungsgemäß nachgegangen ist. Grundsätzlich stellt sich aber auch die Frage, warum Andreas V., der in einer vermüllten Behausung auf einem Campingplatz lebt, überhaupt erst ein Pflegekind zugesprochen worden ist. Fragwürdig erscheint ebenfalls, warum Jugendamtsmitarbeiter teils wöchentlichen Besuchen vor Ort zum Trotze nichts Verdächtiges bemerkt haben wollen. (Eine solche Häufung von amtlichen Besuchen bei Pflegekindern ist höchst ungewöhnlich und schon allein aus personellen Gründen kaum zu bewältigen.)

Zahlreiche dieser Vorgänge blieben nicht ohne Konsequenzen:

„Wegen Strafvereitelung im Amt und wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt die Polizei inzwischen gegen 14 Behördenmitarbeiter. Darunter sind laut offiziellen Angaben zwei Polizisten und acht Angestellte von Jugendämtern der Landkreise Hameln-Pyrmont und Lippe. (…)

Zudem gibt es personelle Konsequenzen. Auf Anweisung des Innenministeriums soll der Detmolder Polizeidirektor an das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten versetzt werden. Landrat Lehmann entband zudem den Leiter der Direktion Kriminalität von seinen Aufgaben. Auch der Jugendamtsleiter von Hameln wurde vom Dienst freigestellt.

Der Umgang mit Beweisstücken soll ebenfalls grundlegend verbessert werden. Während der erneuten Durchsuchung des Campingplatzes räumten Beamte zuletzt sämtliche Gegenstände aus der Behausung von Andreas V. in einen Container. Diese Maßnahme soll verhindern, dass weitere Beweismittel verschwinden.“

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/luegde-wie-der-missbrauchsfall-zum-behoerdenskandal-wurde-a-1255554.html

Der zunächst suspendierte Amtsleiter ist auf einer anderen Position inzwischen wieder im Dienst, da die Vorwürfe gegen ihn nicht so schwerwiegend seien, obschon ihm nach Ende der Ermittlungen weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen drohen könnten. Eine weitere Mitarbeiterin des Jugendamts Hameln-Pyrmont soll wegen einer gravierenderen Aktenmanipulation zwecks Verschleierung früherer Hinweise auf die Sexualpräferenzen des Hauptverdächtigen dagegen fristlos entlassen werden.

In einem öffentlichen Bericht für den Rechtsausschuss vom 6. Mai 2019 teilte die Landesregierung jüngst mit, dass aktuell im Zusammenhang mit dem Ermittlungskomplex Lügde in Nordrhein-Westfalen noch gegen insgesamt zwei Polizisten und sieben Jugendamtsmitarbeiter ermittelt werde.

Nach Abschluss der Tatortarbeit der Ermittlungskommission „Eichwald“ erfolgte am 27. März 2019 die zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei abgestimmte Freigabe der Tatorte. Bereits einige Tage zuvor, am 23. März, wurden laut Polizeiangaben bereits die Absperrgitter abgebaut. Der Betreiber und Inhaber des betroffenen Campingplatzes in Lügde, Frank S., veranlasste daraufhin den Abriss der Parzelle des Haupttatverdächtigen, Andreas V., um das Grundstück im Anschluss in eine Grünfläche umzuwandeln. Staatsanwaltschaft und Polizei sahen nach eigener Aussage zuvor keine Veranlassung, einen Abriss mit öffentlichen Mitteln vornehmen zu lassen.

Im Rahmen der Abrissarbeiten wurden am Donnerstag, 11. April 2019, allerdings eine weitere CD und zwei Disketten entdeckt. Am Folgetag, dem 12. April 2019, konnte im Abrissschutt sodann noch eine weitere CD gefunden werden. Die Fundstücke sind durch das Abbruchunternehmen an die Polizei übergeben worden. Die Staatsanwaltschaft Detmold und die Polizei Bielefeld nahmen dazu in ihrer achten gemeinsamen Presseerklärung wie folgt Stellung:

„Die Polizei geht aufgrund der umfangreichen Tatortarbeit der Ermittlungskommission „Eichwald“, der Angaben des Abrissunternehmers nach den Funden und der Abläufe bei den Abrissarbeiten davon aus, dass sich die Datenträger in einem Zwischenraum des doppelten, fest verbauten Holzbodens im Wohnwagen des Beschuldigten befunden haben.

(…)

Die Ermittlungskommission hatte vor der zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei abgestimmten Freigabe der Tatorte am 27.03.2019 eine intensive, sehr kleinteilige Untersuchung der Tatorte betrieben. Die Tatortarbeit im Bereich der Parzellen der beiden Beschuldigen wurde nach höchsten Standards – analog zur Tatortarbeit bei Mord und Totschlag – durchgeführt. Dazu wurden unter anderem die Behausungen der Beschuldigten von der Polizei vollständig leer geräumt. Die Gegenstände aus den Behausungen wurden zwischengelagert und akribisch durchsucht.

Zur Auffindung von Gegenständen in Verstecken wurde zudem ein Datenträgerspürhund eingesetzt und es wurden 3-D-Laser-Scans von den Tatorten angefertigt. Hohlräume, die zugänglich und somit als Versteck geeignet gewesen wären, wurden dabei nicht gefunden. Es gab danach keine Anhaltspunkte dafür, dass sich auf dem Gelände noch relevantes Beweismaterial befand. Eine Zerstörung der Behausung war von dem richterlichen Durchsuchungsbeschluss nicht gedeckt und somit für Polizei und Staatsanwaltschaft aus rechtlichen Gründen nicht zulässig.“

Der verantwortliche Abbruchunternehmer widersprach dieser behördlichen Darstellung jedoch sogleich und behauptete, diese Aussage so nie getätigt zu haben, da er auch gar nicht gewusst habe, wo das Material genau gewesen ist. Im Übrigen sei er darüber verwundert, dass die Polizei die Abrissarbeiten auch nach dem ersten Fund nicht überwacht habe. Und auch eine Mutter einer betroffenen Opferfamilie erhob schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden. Sie habe die Kriminalpolizei Detmold bereits im Januar und Februar 2019 darauf hingewiesen, dass Andreas V. ihr in der Vergangenheit mitgeteilt habe, wo man besonders gut Gegenstände aufbewahren kann: unter anderem nämlich in Hohlräumen in doppelten Böden. Die Beamten hätten ihr damals versichert, den Hinweisen nachzugehen.

Am Montag, 15. April 2019, musste der Abbruchunternehmer die Polizei zum dritten Mal über den Fund von Datenträgern im Rahmen der Arbeiten informieren. Insgesamt 11 Videokassetten, eine CD und eine Mini-CD wurden obenauf in einem Container für Abrissschutt entdeckt. Auch hierzu bezogen Staatsanwaltschaft und Polizei in ihrer nunmehr neunten gemeinsamen Presseerklärung Stellung:

„Eine grobe Sichtung einiger Videokassetten erbrachte bislang keine strafrechtlich relevanten Inhalte, sondern Unterhaltungssendungen.

Die Herkunft der Datenträger konnte bislang nicht geklärt werden. Es wird auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass die Datenträger durch Unbekannte nachträglich auf dem Schutt im Container abgelegt wurden. Die Auswertungen und Ermittlungen dauern an.

Die Polizei schloss aufgrund der umfangreichen Tatortarbeit der Ermittlungskommission „Eichwald“, der Angaben des Abrissunternehmers und der Abläufe bei den Abrissarbeiten aus, dass die Datenträger aus der abgerissenen Behausung des Hauptbeschuldigten stammten und führte daher sofort Ermittlungen auf dem Campingplatz vor Ort zur Herkunft der Datenträger durch.“

Doch noch am selben Tag mussten die Ermittler in derselben Mitteilung bekannt geben, dass sie einen Geräteverschlags des Hauptbeschuldigten auf dem Campingplatz, der sich lediglich wenige Meter entfernt befand, in den bisherigen Ermittlungen übersehen hatten. Zu diesem Sachverhalt heißt es in der oben zitierten neunten Presseerklärung:

„Der Polizei lagen bislang keine Erkenntnisse darüber vor, dass dieser Schuppen dem Hauptbeschuldigten zuzuordnen ist. Der Schuppen war daher bislang auch nicht Gegenstand polizeilicher Maßnahmen.

(…)

Bei diesen Ermittlungen stieß die Polizei auf den Geräteverschlag, der auf Veranlassung des Campingplatzbetreibers ebenfalls vom Abrissunternehmer abgerissen werden sollte. Dabei gab der Campingplatzbetreiber heute gegenüber der Polizei an, dieser Verschlag sei dem Hauptbeschuldigten zuzuordnen. Der Ermittlungskommission „Eichwald“ war diese Information bislang nicht bekannt. (…)

Der unverschlossene Verschlag wurde daraufhin von Polizeibeamten bewacht und mit Zustimmung des Rechtsanwalts des Beschuldigten unmittelbar durchsucht. Es wurden Werkzeuge und Metallschrott aufgefunden. Gegenstände, die als Beweismittel in Frage kommen könnten, wurden nicht festgestellt. Dem äußeren Anschein nach wurde der Schuppen schon sehr lange nicht mehr betreten.“

Zugleich geben die Behörden jedoch an, dass der Campingplatz-Inhaber dem widerspricht, da er die Polizei nach eigener Aussage bereits vor längerer Zeit über dieses Besitzverhältnis informiert habe.

Laut Medienberichten seien die Ermittler jedoch erst durch kritische Anfragen von Journalisten auf den Geräteverschlag aufmerksam geworden, was aus der oben zitierten Presseerklärung nicht eindeutig hervorgeht.

Besonders brisant ist jedoch eine weitere Auslassung: Das Abbruchunternehmen hat den Verschlag womöglich vor dem Zeitpunkt der ersten polizeilichen Durchsuchung längst ausgeräumt, was Fragen aufwirft, ob womöglich weitere potenzielle Beweismittel entwendet werden oder verlustig gehen konnten, und wie geschulte Beamte dennoch zu dem Ergebnis kommen konnten, dass der Verschlag schon länger nicht mehr betreten worden sei.

Einem Bericht von Spiegel Online zufolge sekundierte das Innenministerium der Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei jedoch zunächst wie folgt:

„Dass dieser Geräteschuppen erst jetzt dem Tatverdächtigen zugeordnet werden konnte, liegt an den nur schwer zu klärenden Nutzungsverhältnissen auf dem Campingplatz.“

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/luegde-so-versagen-die-behoerden-im-mutmasslichen-missbrauchsfall-a-1263203.html

Doch auch diesbezüglich wird der Inhaber des Eichwaldes überdeutlich:

„Schwer zu klärende Verhältnisse? Campingplatzchef Frank S. schüttelt den Kopf, er sagt: ‚Das ist Blödsinn. Der Schuppen stand direkt hinter der Parzelle, wem bitteschön sollte er denn sonst gehören?'“

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/luegde-so-versagen-die-behoerden-im-mutmasslichen-missbrauchsfall-a-1263203.html

Das Material aus dem Verschlag ist nach Angaben des Unternehmens jedenfalls ohne jede polizeiliche Würdigung zu einer Müllverbrennungsanlage transportiert und unter Umständen längst verbannt worden.

Später bezeichnete Innenminister Reul den Umstand, dass die Ermittler den Verschlag übersehen hatten, dann allerdings als eine Fehleinschätzung.

Oberstaatsanwalt Ralf V. weist die Kritik an der Ermittlungsarbeit jedoch zurück und bewertet die jüngsten Funde als für das Verfahren nicht beweiserheblich. Diese Schlussfolgerung erscheint jedoch merkwürdig vor dem Hintergrund, dass Staatsanwaltschaft und Polizei in ihrer achten Presseerklärung wenige Tage zuvor noch mitteilten, dass sich von den „zwei CDs und zwei Disketten“ zu diesem Zeitpunkt „aufgrund von Beschädigungen (…) aktuell lediglich eine CD teilweise auslesen“ lasse und aufgrund des nicht rechtzeitig identifizierten Verschlages gegebenenfalls nicht alle möglichen Beweise sichergestellt worden sind.

In Absprache mit den Angehörigen wurde noch am 18. April 2019 die Behausung des zweiten Hauptbeschuldigten auf dem Campingplatz geräumt. In diesem Fall begleitete die Polizei die Abbrucharbeiten jedoch. Dies geschah nach Angaben der Polizei Bielefeld aus gefahrenabwehrenden Gründen. Am 19. April wurde bekannt, dass das Polizeipräsidium Bielefeld unter Dienst- und Fachaufsicht gestellt worden ist und hochrangige Ministerialbeamte die Arbeit vor Ort begleiten.

Im Nachgang zu den Datenträgerfunden während der unbegleiteten Abbrucharbeiten nach Freigabe der Tatorte wurden schließlich erhebliche Unterschiede zwischen der Sachverhalts- und Lagebewertung der Detmolder Staatsanwaltschaft und derjenigen von Innenminister Reul deutlich. Die Staatsanwaltschaft stufte die neuentdeckten Datenträger als für das Verfahren irrelevant ein und gab vor, man möge sich auf das vorhandene Material konzentrieren, wohingegen Reul verlautbarte, dass man weiter untersuchen müsse, da jeder neue Fund wichtige Hinweise liefern könne.

So ist die Ermittlungskommission zum Missbrauchskomplex mehrfach auf aktuell nun 79 Beamte aufgestockt worden, um unter anderem umfangreiche Befragungen aller dortigen Camper durchzuführen.

Ebenfalls in der Sondersitzung des Innenausschusses am 30. April gab Herbert Reul bekannt, dass auf einem der im Rahmen der Abbrucharbeiten aufgetauchten Datenträger nachträglich kinderpornografisches Material identifiziert werden konnte.

Ende April/Anfang Mai 2019 entwickelte sich dann eine Affäre um den zuständigen Abbruchunternehmer, Christopher W., wonach dieser laut mehreren Medienberichten, die sich wiederum auf Informationen aus Polizeikreisen beriefen, der so genannten Reichsbürgerszene, die den deutschen Staat und seine Institutionen ablehnt, weltanschaulich nahestehe.

„Anonyme Ermittler werden zudem mit dem Hinweis zitiert, dass der Abrissunternehmer die Datenträger ‚theoretisch auch selbst in den Schutt gemischt haben könnte, um die Polizei zu diskreditieren, die den Campingplatz zuvor mehrfach durchsucht hatte. Das sei eine für Reichsbürger typische Motivation‘.“

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/luegde-141.html

Christopher W. widerspricht den Vorwürfen, er weise eine solche Nähe auf, jedoch entschieden. Der Anwalt des Unternehmers zeigte sich irritiert und stellte die Vorwürfe gegen seinen Mandanten in einen Zusammenhang mit den Ermittlungsfehlern im Komplex um den sexuellen Missbrauch. Er hielte sogar eine Diskreditierungskampagne für möglich, da sein Mandant Missstände aufgedeckt habe.

Am 5. Mai berichtete schließlich der Westdeutsche Rundfunk, dass dem WDR-Magazin Westpol ein bislang unveröffentlichter interner Bericht der Kreispolizeibehörde Lippe vom 11. Januar 2019 vorliege. Dieser sei an das Landeskriminalamt und drei Tage später an das Innenministerium versandt worden. Aus diesem Bericht gehe das Ausmaß des Missbrauchsfalls auf dem Campingplatz eindeutig und damit bereits Mitte Januar hervor. Der Innenminister übertrug das Ermittlungsverfahren demgegenüber jedoch erst am 31. Januar auf das Polizeipräsidium Bielefeld.

Der Missbrauchs- und Behördenskandal reicht in der Gesamtschau weit über die Geschäftsbereiche des Ministeriums des Innern und des Innenausschusses hinaus. Sich verdichtende Hinweise auf individuelles Versagen und strukturelle behördliche Defizite finden sich auch bei den zuständigen Jugendämtern. Die Frage nach einer erforderlichen Sensibilisierung für Anzeichen für sexuellen Missbrauch ist auch schulpolitisch bedeutsam.

Ein Kommentator der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung fand am frühen Donnerstagabend des 14. März 2019, nachdem Minister Herbert Reul den Mitgliedern des Innenausschusses kurz zuvor von weiteren skandalösen Erkenntnissen zu weiteren Opfern, schwerwiegendem Behördenversagen und Ermittlungen gegen einen temporär leitenden Polizeibeamten berichten musste, drastische Worte, um das Ausmaß des Skandals einzuordnen:

„Schlampige Ermittlungen, verschwundene Beweise, suspendierte Polizisten, Behördenversagen aller Orten und eine wöchentlich wachsende Zahl missbrauchter Kinder. Der Abgrund vom Campingplatz „Eichwald“ in Lügde erinnert allmählich an eine deutsche Version des grausamen Falls „Dutroux“, der in den 90er Jahren halb Europa entsetzte.“

https://www.waz.de/meinung/der-deutsche-fall-dutroux-id216665499.html

II. Untersuchungsauftrag und Erkenntnisinteresse

  1. Der Ausschuss erhält den Auftrag, mögliche Versäumnisse, den Verdacht auf Strafvereitelung im Amt, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten der Landesregierung, insbesondere des Ministeriums des Innern, und untergeordneter Landesbehörden, insbesondere der Kreispolizeibehörde, des Jugendamtes und des Landrates des Kreises Lippe beim Umgang mit dem tausendfachen, mutmaßlich jahrzehntelangen und systematischen Missbrauch von zahlreichen Kindern auf einem Campingplatz in Lügde durch mehrere Tatverdächtige zu untersuchen. Hierbei sind ebenfalls sämtliche intra- und interbehördlichen Informationsflüsse zwischen und auf allen Hierarchieebenen relevant.
  2. Überdies soll sich der Ausschuss ein Gesamtbild des Zusammenwirkens der Kommunal- und Landesbehörden Nordrhein-Westfalens mit Kommunal- und Landesbehörden des Bundeslandes Niedersachsen verschaffen und dabei mögliche Versäumnisse, den Verdacht auf Strafvereitelung im Amt, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten im Rahmen dieser länderübergreifenden behördlichen Zusammenarbeit aufklären.
  3. Ferner erhält der Ausschuss den Auftrag, öffentliche Reaktionen von Mitgliedern der Landesregierung und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kommunikation gegenüber dem Parlament aller beteiligten Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen vor und nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals zu untersuchen.
  4. Schließlich soll der Untersuchungsausschuss erörtern, welche möglichen personellen, strukturellen, haushalterischen und gesetzgeberischen Konsequenzen in den Bereichen Personalgewinnung, Ausbildung, Amtsführung, Behördenorganisation, der technischen Ausstattung von Ermittlungsbehörden und Jugendämtern und hinsichtlich der Ausgestaltung des Sexualstrafrechts und des Polizeirechts aus dem jahrzehntelang unentdeckten Missbrauch in Lügde und dem defizitären Umgang der beteiligten Behörden damit gezogen werden müssen.

Im Einzelnen wird der Parlamentarische Untersuchungsausschuss beauftragt, nachfolgende Fragen zu beantworten, die analytisch je nach Vorkenntnissen und nach der konkreten Gestalt des jeweilig zu durchdringenden Gegenstandes zwischen der Mikro-, Meso- und Makroebene oszillieren.

Themenkomplex I: Versäumnisse, Unterlassungen, mögliche Straftaten, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten in der Kreispolizeibehörde Lippe, im Jugendamt des Kreises Lippe, des Landrates des Kreises Lippe, des Polizeipräsidiums Bielefeld und der Staatsanwaltschaft Detmold unter Berücksichtigung sämtlicher intra- und interbehördlichen Informationsflüsse

Themenkomplex I. a. Kreispolizeibehörde Lippe

  1. Wie gestaltete sich die polizeiliche Sachbearbeitung von eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweisen auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V.?
    1. Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamten hat/haben eingehende Anzeigen wegen des Verdachtes auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweisen auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahr 2002 bearbeitet?
    2. In welcher Form hat/haben der Polizeibeamte bzw. die Polizeibeamten die eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahre 2002 bearbeitet??
    3. Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamte hat/haben eingehende Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahr 2008 bearbeitet?
    4. In welcher Form hat/haben der Polizeibeamte bzw. die Polizeibeamten die eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahre 2008 bearbeitet??
    5. Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamte hat/haben eingehende Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahre 2016 bearbeitet?
    6. In welcher Form hat/haben der Polizeibeamte bzw. die Polizeibeamten die eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahr 2016 bearbeitet??
    7. Hat eine Mutter einer Opferfamilie tatsächlich gegenüber der Kriminalpolizei Detmold mehrfach angegeben, dass der Haupttäter ihr mögliche Verstecke für Gegenstände verraten habe?
      1. Wenn, ja: Warum ist diese mögliche Information nicht ordnungsgemäß bearbeitet und weitergeleitet worden?
      2. Hätte die ordnungsgemäße Sachbearbeitung und Weiterleitung dieser Zeugenaussagen Einfluss auf die Ausgestaltung des Durchsuchungsbeschlusses haben können, sodass dieser unter Umständen auch das Aufbrechen von Böden und Wänden enthalten hätte?
    8. Welche behördlichen Standards zur Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen und Anzeigen gibt es?
    9. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    10. Sind dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevante Verstöße gegen mögliche behördliche Standards zur polizeilichen Sachbearbeitung von Hinweisen und Anzeigen im Dienstalltag in der Kreispolizeibehörde Lippe identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    11. Welche Mechanismen zur Kontrolle einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung von eingehenden Anzeigen und Hinweisen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen innerhalb der Gliederung der Kreispolizeibehörde?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  2. Wie gestaltete sich die Sicherung und Aufbewahrung von Beweismitteln und die Tatortaufnahme durch die Kreispolizeibehörde Lippe bis zur Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch das Polizeipräsidium Bielefeld ab dem 31. Januar 2019 aufgrund eines Ministererlasses?
    1. Welche dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevanten Verstöße gegen den gesetzlich in § 44 PolG NRW geregelten und mit Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 „Behandlung von Verwahrstücken im Bereich der Polizei“ umgesetzten Umgang mit Asservaten sind in der Kreispolizeibehörde Lippe im Dienstalltag, insbesondere bezüglich des Umgangs mit Asservaten im Missbrauchsfall in Lügde und bezüglich des Umgangs mit den in diesem Fall verschwundenen bzw. entwendeten Asservaten, identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße gegen die in 2.1. genannten Vorgaben auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    2. Gibt es in der Kreispolizeibehörde Lippe behördenspezifische Dienstanweisungen, die den Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 ergänzen?
      1. Welche dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevanten Verstöße gegen mögliche behördenspezifische Dienstanweisungen der Kreispolizeibehörde Lippe, die den Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 ergänzen, sind in der Kreispolizeibehörde Lippe im Dienstalltag, insbesondere bezüglich des Umgangs mit Asservaten im Missbrauchsfall in Lügde und bezüglich des Umgangs mit den in diesem Fall verschwundenen bzw. entwendeten Asservaten, identifizierbar?
      2. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße gegen die in 2.2. genannten Vorgaben auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      3. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
      4. Verstoßen die möglichen behördenspezifischen Dienstanweisungen der Kreispolizeibehörde Lippe zum Umgang mit Asservaten gegen § 44 PolG NRW und/oder den Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029?
    3. Erscheinen die bestehenden Standards des § 44 PolG NRW, des Runderlasses und möglicher behördenspezifischer Dienstanweisungen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    4. Welche Mechanismen zur Kontrolle eines dem § 44 PolG NRW, dem Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 und möglichen, den Runderlass ergänzenden behördenspezifischen Dienstanweisungen gemäßem Umgangs mit Asservaten gibt es in der Kreispolizeibehörde Lippe?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    5. Warum wurden bei weiteren Durchsuchungen noch physisch besonders auffällige Beweismittel gefunden und waren nicht bereits zuvor sichergestellt?
    6. Waren die Tatorte nach der jeweils ersten Tatortaufnahme jederzeit ausnahmslos ordnungsgemäß und lagegerecht vor (manipulativen) Zugriffen gesichert?
    7. Welchen Einfluss auf die Verwertbarkeit der Asservate im zukünftigen Prozess vor der Jugendschutzkammer des Detmolder Landgerichts könnte die Feststellung des Ministeriums des Innern haben, dass der Schutz der Asservate vor Manipulation oder unberechtigten Zugriffen erst seit der Übernahme der Ermittlungen durch das Polizeipräsidium Bielefeld gewährleistet sei?
  3. Wie sind die Personalqualität, die Personalstärke, und der Personaleinsatz in der Kreispolizeibehörde Lippe zu beurteilen?
    1. Warum sichtete ein Polizeianwärter die Datenträger?
    2. Warum wurde nicht auf die neu angeschafften Rechner sowie auf die geschulten IT-Kräfte zurückgegriffen?
    3. Korrelieren die Anschaffung neuer Rechner und die Festnahme des mutmaßlichen Haupttäters miteinander, oder handelt es sich um eine zeitliche Koinzidenz?
    4. Warum wurden Kinder nicht durch besonders geschulte Beamte vernommen?
    5. Wurde der BKV-Personalschlüssel für die Kreispolizeibehörde Lippe eingehalten?
      1. Ist der BKV-Personalschlüssel hinsichtlich der Gewährleistung größtmöglicher Sicherheit für die Bürger Nordrhein-Westfalens adäquat?
      2. Wie unterscheidet sich der nordrhein-westfälische BKV-Personalschlüssel von denen anderer Bundesländer mit geringerer Kriminalitätsrate (z.B. Bayern)?
      3. Gibt es zugleich einen qualitativen Personalschlüssel? Gibt es Soll-Stellen für besonders geschultes Personal, wie beispielsweise für den Bereich „Kindesmissbrauch“?
      4. Erscheint dieser mögliche Schlüssel vor dem Hintergrund der fallbezogenen Erkenntnisse angemessen?
      5. Wie sind mögliche qualitative Personalschlüssel in anderen Bundesländern gestaltet?
    6. Welchen Einfluss hatten einschlägig vorbestrafte Beamte auf die defizitären Ermittlungen?
    7. Sind die dienstrechtlichen Konsequenzen im Falle von Straftaten durch Polizeibeamte ausreichend, um sowohl Fehler bei Ermittlungsverfahren zu minimieren als auch das Ansehen der Polizei bei den Bürgern zu gewährleisten?
    8. Sind mögliche dienstrechtliche Vorschriften hinsichtlich der Inkenntnissetzung sowie fakultativer oder zwingender Hilfeersuchen an höhere Behörden eingehalten worden?
    9. Sind die diesbezüglichen Vorschriften ausreichend, um ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden?

Themenkomplex I. b. Kreisjugendamt Lippe

  1. Wie viele Mitarbeiter sind für wie viele Fälle im Jahr verantwortlich?
  2. Ist das Kreisjugendamt personell und sachlich für seine Aufgaben adäquat ausgestattet, um das Kindeswohl in jedem Fall zu gewährleisten?
  3. Gibt es verbindliche Standards bei der Auswahl von Pflegeeltern?
  4. Sind diese möglichen Standards im vorliegenden Fall eingehalten worden?
  5. Welchen Veränderungsbedarf gibt es hinsichtlich der Etablierung von am Kindeswohl orientierten Standards bei der Auswahl von Pflegeeltern sowie deren Einhaltung respektive Kontrolle und etwaigen Sanktionierung?
  6. Wie gestaltete sich der Umgang des Jugendamtes des Kreises Lippe mit Hinweisen auf Sexualpräferenzen, mögliche Sexualstraftaten und die Lebensumstände des Haupttatverdächtigen?
    1. Was war dem Amt, zu welchem Zeitpunkt bekannt?
    2. Durch welche Person bzw. welche Institution (z.B. Polizeibehörden, NGOs, etc.) hat das Amt Kenntnis bekommen?
    3. Welche behördlichen Standards zur Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen gibt es?
    4. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    5. Sind dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevante Verstöße gegen mögliche behördliche Standards zur jugendamtlichen Sachbearbeitung von Hinweisen im Dienstalltag im Kreisjugendamt Lippe identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    6. Welche Mechanismen zur Kontrolle einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen innerhalb der Gliederung des Kreisjugendamtes?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  7. Im Hinblick auf die Aktenmanipulationen im Jugendamt Hameln-Pyrmont: Gibt es Standards zur Kontrolle? Wären in Nordrhein-Westfalen vergleichbare Vorgänge möglich?

Themenkomplex I. c. Landrat des Kreises Lippe

  1. Welches Fehlverhalten lässt sich hinsichtlich der Arbeit des Landrats Lippe identifizieren?
  2. Ist die Aufsichtspflicht gegenüber der Kreispolizeibehörde und des Jugendamts des Kreises Lippe zeitnah und einwandfrei erfolgt?
  3. Welche Maßnahmen wurden hinsichtlich der Betreuung der Opfer und ihrer Angehörigen ergriffen?
  4. Erscheinen die ergriffenen Maßnahmen der Opferbetreuung vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?

Themenkomplex I. d. Polizeipräsidium Bielefeld und Staatsanwaltschaft Detmold

  1. War die Entscheidung, die Abrissarbeiten nicht dauerhaft polizeilich zu begleiten, lageangemessen und nachvollziehbar begründet?
  2. Hätte spätestens ab dem ersten Neufund von Datenträgern eine dauerhafte polizeiliche Begleitung der weiteren Arbeiten sichergestellt werden müssen?
  3. Warum schlussfolgern die Polizei Bielefeld und die Staatsanwaltschaft Detmold einen genauen Fundort der nachträglich entdeckten Datenträger auch aufgrund einer etwaigen Aussage des Abbruchunternehmers, obgleich dieser öffentlich angibt, nicht zu wissen, wo sich das Material genau befunden habe?
  4. Trifft es zu, dass der Campingplatz-Inhaber die Polizei bereits vor längerer Zeit darüber informiert hat, dass der zu spät identifizierte Geräteverschlag dem Haupttatverdächtigen zuzuordnen ist?
  5. Wenn, ja: Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamten hat/haben etwaige Hinweise des Campingplatz-Inhabers auf Nutzungsverhältnisse, in welcher Form bearbeitet?
    1. Sind dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevante Verstöße gegen mögliche behördliche Standards zur polizeilichen Sachbearbeitung von Hinweisen und Anzeigen im Dienstalltag des Polizeipräsidiums Bielefeld im Zusammenhang mit dem Ermittlungskomplex Lügde identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    2. Welche Mechanismen zur Kontrolle einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung von eingehenden Anzeigen und Hinweisen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen innerhalb des Polizeipräsidiums Bielefeld?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  6. Wieso sind die Ermittler nach wochenlanger Tatortarbeit nicht eigenständig auf den räumlich naheliegenden Verschlag aufmerksam geworden?
  7. Sind die Behörden erst durch Journalisten auf den Verschlag aufmerksam geworden?
  8. Ist es möglich, dass sich im vor der ersten Durchsuchung ausgeräumten Verschlag oder in bereits abtransportiertem Schutt weitere Beweismittel befunden haben?
  9. Wie konnten geschulte Beamte zu dem Ergebnis kommen, dass der Geräteverschlag schon länger nicht mehr betreten worden sei, obgleich dieser zuvor von dem Abbruchunternehmen ausgeräumt worden war?
  10. Wie gestaltete sich die Tatortarbeit des Polizeipräsidiums Bielefeld in der Gesamtschau?
  11. Wie kann der Oberstaatsanwalt zu der Bewertung gelangen, dass die jüngsten Funde für das Verfahren nicht beweiserheblich sind, wenn doch kurz zuvor mitgeteilt werden musste, dass ein Teil der Datenträger beschädigt ist?

Themenkomplex II: Informationsflüsse zwischen Unter-, Mittel-, Landesoberbehörden und Ministerien, Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten in Landesoberbehörden und in Ministerien

  1. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen dem nordrhein-westfälischen Landesjugendamt und dem Kreisjugendamt Lippe?
    1. Sind die dafür geltenden Standards eingehalten worden (pro-, wie reaktiv)?
    2. Sind die Kontroll-, Aufsichts- und Sanktionsmöglichkeiten des Landesamtes ausreichend?
  2. Sind im vorliegenden Missbrauchsfall polizeiliche WE-Meldungen ausnahmslos und fristgerecht anhand der geltenden Vorschriften erfolgt?
  3. Sind die Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten für den Fall ausreichend, dass gegen solche Vorschriften verstoßen wird?
  4. Wann ist welche Behörde, auf welcher Hierarchieebene zuständig?
    1. Wann hätte beispielsweise das Polizeipräsidium Bielefeld durch die Kreispolizeibehörde Lippe eingeschaltet werden müssen?
    2. Wann hätte das Landesjugendamt durch das Kreisjugendamt eingeschaltet werden müssen?
  5. Sind die Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten der ministeriellen Ebene hinsichtlich eines ordnungsgemäßen Informationsaustausches zwischen Unter-, Mittel- und Landesoberbehörden ausreichend?
  6. Auf welche Weise, und aus welchen Sachgründen hat sich die Abteilung Polizei des Ministeriums des Innern pro- und/oder reaktiv in die Ermittlungen eingeschaltet?
  7. Reichen die strukturellen Dienstaufsichts- und Qualitätssicherungsbefugnisse des Ministeriums des Innern aus?
  8. Wie gestaltete sich die Kommunikation zwischen dem Ministerium des Innern, dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW, dem Polizeipräsidium Bielefeld und der Kreispolizeibehörde Lippe vor dem Hintergrund zeitlicher Verzögerungen im Detail?
  9. Hätte der Innenminister unmittelbar nach Kenntniserlangen des internen Berichtes der Kreispolizeibehörde Lippe vom 11. Januar 2019 die Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch das Polizeipräsidium Bielefeld qua Erlass verfügen müssen?
  10. Wie ist die eingesetzte „Task Force Lügde“ horizontal und vertikal mit den zuständigen Behörden verschränkt? Welche möglichen Weisungsbefugnisse bestehen?
  11. Welche fallbezogenen Informationsflüsse gab es zwischen der Staatsanwaltschaft Detmold und dem Ministerium der Justiz?
  12. Welche fallbezogenen Informationsflüsse gab es zwischen dem Ministerium des Innern und dem Justizministerium?
  13. Welche Befugnisse hat die neue Stabsstelle Kindesmissbrauch? Wie ist diese in die bisherigen Polizeiaufbaustrukturen Nordrhein-Westfalens integriert?
  14. Wie ist die Entscheidung von Innenminister Reul, weitere Ermittlungen auf dem Campingplatz durchzuführen, nachdem der Staatswalt die Tatorte bereits freigegeben hatte, zu bewerten?

Themenkomplex III: Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten bezüglich etwaiger interbehördlicher Informationsflüsse zwischen sämtlichen Behörden der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen

  1. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen den Kreispolizeibehörden Lippe und Hameln-Pyrmont?
  2. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen der Kreispolizeibehörde Lippe, dem Jugendamt Hameln-Pyrmont und der sozialpädagogischen Familienhilfe?
  3. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen den Kreisjugendämtern Lippe und Hameln-Pyrmont und der sozialpädagogischen Familienhilfe?
  4. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen der Kreispolizeibehörde Hameln-Pyrmont und dem Jugendamt Lippe?
  5. Welche behördlichen Standards gibt es in beiden Bundesländern bei Kreispolizeibehörden und Kreisjugendämtern bezüglich des interbehördlichen Informationsaustausches und der anschließenden Sachbearbeitung von eingehenden Informationen?
  6. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  7. Wo sind im Rahmen der oben genannten interbehördlichen und fallbezogenen Informationsflüsse Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten identifizierbar, die dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevant sind und gegen mögliche behördliche Standards verstoßen?
    1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen oder einer strukturellen Ebene?
    2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
  8. Welche Mechanismen zur Kontrolle eines ordnungsgemäßen Informationsaustausches und einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung interbehördlich ausgetauschter Informationen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen?
    1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
    2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse ausreichend?
  9. Welche Maßnahmen wurden hinsichtlich der Betreuung der Opfer und ihrer Angehörigen durch die Landesregierung in Absprache mit dem Kreis Lippe ergriffen?

Themenkomplex IV: Öffentliche Reaktionen von Mitgliedern der Landesregierung, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kommunikation gegenüber dem Parlament aller beteiligten Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen

  1. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, hat datenschutzrechtliche Bedenken bezüglich der öffentlichen Äußerungen des Ministers des Innern, Herbert Reul, über die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen einzelne Beamte im Zusammenhang mit dem Missbrauchs- und Behördenskandal und des Vorgehens des Innenministeriums angemeldet. Die GdP hat daher die Landesdatenschutzbeauftragte eingeschaltet. Wie sind die öffentlichen Aussagen des Innenministers über die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen einzelne Beamte im Zusammenhang mit dem Missbrauchs- und Behördenskandal und das Vorgehen des Innenministeriums bei behördeninternen Ermittlungen und Datenerhebungen zu diesem Zwecke zu bewerten?
    1. Hat Herbert Reul als oberster Dienstherr durch öffentliche Aussagen Datenschutzgrundsätze verletzt?
    2. Hat Herbert Reul durch seine Aussagen das Vertrauensverhältnis zwischen den nordrhein-westfälischen Polizeivollzugsbeamten und ihrem obersten Dienstherren nachhaltig beschädigt?
    3. Sind im Rahmen von internen Ermittlungen und Datenerhebungen, deren Ergebnisse teils öffentlich kommuniziert worden sind, Datenschutzgrundsätze verletzt worden?
  2. Im schriftlichen Nachbericht der Landesregierung für die Sitzung des Innenausschusses am 14. März 2019 bezüglich eines Fragenkatalogs der SPD-Fraktion vom 26. Februar 2019 antwortet das Ministerium auf Frage 26, was Herbert Reul konkret meine, wenn er sagt, es bleibe bei den Ermittlungen „kein Stein auf dem anderen“: „Der Minister des Innern meint damit, dass alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden und die Fälle besonders sorgfältig aufgearbeitet werden. Dies beinhaltet auch konkret die vollumfängliche Spurensuche und Beweissicherung vor Ort.“ Bedeutet diese Aussage im Umkehrschluss also, dass in anderen, nicht derart öffentlich beleuchteten Ermittlungsverfahren nicht sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, die Fälle nicht besonders sorgfältig aufgearbeitet werden und vor Ort keine vollumfängliche Spurensuche und Beweissicherung gewährleistet ist?
  3. Hat die öffentliche Mutmaßung Herbert Reuls, wonach die verschwundene Asservate keine Auswirkungen auf die Anklageerhebung haben werden, obgleich die Landesregierung nicht ausschließen kann, dass damit möglicherweise Daten über weitere Täter oder auch entlastendes Material abhandengekommen sein könnten, der Vertrauenswürdigkeit des Amtes des Innenministers geschadet?
  4. Hat die öffentliche Mutmaßung Herbert Reuls, wonach es seiner Großmutter aufgefallen wäre, dass in Lügde etwas nicht stimme, um auf ein mutmaßliches umfassendes Behördenversagen aufmerksam zu machen, vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse in unangemessener Weise die Arbeit ganzer Behörden und unbescholtener Beamter in Mithaftung genommen?
  5. Wieso bewertete das Innenministerium die Besitzverhältnisse auf dem Campingplatz zunächst als schwer identifizierbar, obgleich sich der zu spät identifizierte Verschlag unmittelbar am Grundstück des Andreas V. befand?
  6. Wieso kommt Innenminister Reul später in Widerspruch dazu zu dem Ergebnis, dass es eine Fehleinschätzung gewesen sei, dass die Ermittler den Geräteverschlag zunächst übersehen haben?
  7. Wie sind die öffentlichen Äußerungen Herbert Reuls, wonach er die Ermittlungen zur Chefsache gemacht habe und fortan kein Stein auf dem anderen bleibe, vor dem Hintergrund weiterer Ermittlungsfehler in der Zeit danach (Datenträger im Bauschutt, Geräteverschlag nicht identifiziert, etc.) zu bewerten?
  8. Wie ist der Vorgang um die mutmaßliche Weitergabe von ebenfalls mutmaßlichen Behördenerkenntnissen über eine Nähe des Abbruchunternehmers Christopher W. zu der so genannten Reichsbürgerszene zu bewerten?
    1. Entsprechen die mutmaßlich in die Presseöffentlichkeit lancierten Behauptungen über den Unternehmer dem tatsächlichen Kenntnisstand der Behörden des Bundeslandes NRW?
    2. Welche Beamten haben diese Informationen, an welche Medien weitergegeben?
    3. Welchen Zweck haben die entsprechenden Beamten damit verfolgt, sofern dies der Wahrheit entspricht?
    4. Haben die Beamten damit möglicherweise disziplinar- und/oder strafrechtlich relevante Verstöße begangen?

Themenkomplex V: Personelle, strukturelle, haushalterische und gesetzgeberische Konsequenzen in den Bereichen Personalgewinnung, Ausbildung, Amtsführung, Behördenorganisation, der technischen Ausstattung von Ermittlungsbehörden und hinsichtlich der Ausgestaltung des Sexualstrafrechts und des Polizeirechts

  1. Wie gestaltet sich die vertikale und horizontale Organisationsstruktur des Jugendamtswesens in Nordrhein-Westfalen?
    1. Welche Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsebenen und -möglichkeiten existieren für diese?
    2. Sind die Landesjugendämter hinsichtlich ihrer Personalstärke sowie ihrer rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Kreisjugendämter ausreichend ausgestattet?
  2. Hat das Land für ausreichende Standardisierungen bei der Auswahl von Pflegeeltern sowie und bei der (auch psychologischen) Begleitung der betroffenen Kinder gesorgt?
  3. Sind die Kreisjugendämter mit Personal, Sachmitteln und der Möglichkeit zur Fortbildung ausreichend ausgestattet?
  4. War das Einräumen der Möglichkeit, kleineren Kommunen die Einrichtung eines eigenen Jugendamtes zu erlauben, richtig, und wurde diese Entscheidung von Seiten des Landes ausreichend hinsichtlich der Finanzierung, der personellen und sachlichen Ausstattung sowie dienstrechtlicher Kontroll-, Aufsichts- und Sanktionsmöglichkeiten begleitet?
  5. Ist der Personalschlüssel für die zu bewältigenden Fallzahlen immer ausreichend? Wer kontrolliert dies und schafft pro- oder reaktiv Abhilfe?
  6. Lassen sich mögliche Probleme für die Gewährleistung des Kindeswohls durch mangelnde Ausstattung, Doppelzuständigkeiten und/oder mangelnde Kontrollmöglichkeiten identifizieren?
  7. Ist eine Reform des Jugendamtswesens in Nordrhein-Westfalen geboten, um das Kindeswohl besser zu gewährleisten als dies bisher der Fall ist, oder reichen Einzelmaßnahmen, die Etablierung von landesweiten Standards sowie ein höherer Mitteleinsatz aus?
  8. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, den BKV-Personalschlüssel für Soll-Stellen der nordrhein-westfälischen Landespolizei in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu verbessern?
  9. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die in § 44 PolG NRW geregelten, mit dem Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 umgesetzten und durch mögliche behördenspezifischen Dienstanweisungen der unteren Landesbehörden ergänzten Standards zum Umgang mit Asservaten sowie die Kontrollmechanismen eines ordnungsgemäßen Umgangs zu verbessern?
  10. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die Standards der polizeilichen Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen und Anzeigen sowie die Kontrollmechanismen einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu verbessern?
  11. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die Standards der Sachbearbeitung von interbehördlicher und länderübergreifenden Informationsflüssen und die Kontrollmechanismen einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung bei Jugendämtern und Polizeibehörden zu verbessern?
  12. Ist eine (umfassende) Reform der vielgliedrigen Polizeistruktur Nordrhein-Westfalens mit ihrem komplexen Zuständigkeitsgeflecht geboten, um die Sicherheit der Bürger besser zu gewährleisten als dies bisher der Fall ist, oder reichen Einzelmaßnahmen und ein höherer Mitteleinsatz aus?
  13. Sind die Sanktionsmöglichkeiten des Dienstrechts ausreichend geschärft?
  14. Sind die verschiedenen Zuständigkeiten auf ministerieller Ebene für den Bereich des Kinder- und Jugendschutzes noch zielgenau aufgeteilt, oder bedarf es anders konzipierter Bündelungen von Kompetenzen?
  15. Erscheint der Strafrahmen in der gegenwärtigen Fassung des Strafgesetzbuches bei Sexualdelikten in jedem Fall angemessen?
  16. Sind die Möglichkeiten der Unterbringung und Therapie für Sexualstraftäter (auch in der Nachsorge) ausreichend?
  17. Wo und wie muss die Landesregierung, insbesondere der Minister des Innern, Form, Zeitpunkt und Inhalt der externen Kommunikation mit dem Parlament, den Medien und der interessierten Öffentlichkeit optimieren?
  18. Muss der Datenschutz bei behördeninternen Ermittlungen und Datenerhebungen zu diesem Zwecke verbessert werden?
  19. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die Betreuung von Opfern und ihren Angehörigen zu verbessern?
  20. Wie kann die Sensibilisierung für und Schulung im Umgang mit möglichem sexuellen Kindesmissbrauch von Lehrern, Ärzten, Vereinen, Kitas, Eltern und weiteren relevanten Kontaktpersonen verbessert werden?

III. Untersuchungszeitraum

Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf den Zeitraum ab dem Jahr 2002, als der erste registrierte Hinweis auf möglichen sexuellen Missbrauch durch den Hauptbeschuldigten bei der Polizei einging, bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses.

IV. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses

Der Landtag Nordrhein-Westfalen setzt einen aus 13 stimmberechtigten Mitgliedern und einer entsprechenden Zahl von stellvertretenden Mitgliedern bestehenden Untersuchungsausschuss ein.

Die Verteilung der zu vergebenden Sitze im Untersuchungsausschuss erfolgt folgendermaßen:

CDU5 Mitglieder
SPD4 Mitglieder
FDP2 Mitglieder
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN1 Mitglied
AfD1 Mitglied

IV. Teilweiser und vollständiger Abschlussbericht

Der Untersuchungsausschuss wird beauftragt, soweit möglich nach Abschluss seiner Untersuchungen dem Landtag gemäß § 24 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen einen Abschlussbericht vorzulegen.

Sollte ein Abschlussbericht nicht vorgelegt werden können, hat der Untersuchungsausschuss auf Verlangen des Landtages oder der Antragsteller über abtrennbare Teile des Einsetzungsauftrages dem Landtag einen Teilbericht zu erstatten, wenn die Beweisaufnahme zu diesem Teil abgeschlossen und der Bericht ohne Vorgriff auf die Beweiswürdigung der übrigen Untersuchungsaufträge möglich ist.

Der Landtag kann darüber hinaus vom Untersuchungsausschuss jederzeit, bei Vorliegen eines allgemeinen öffentlichen Interesses oder wenn ein Schlussbericht vor Ablauf der Wahlperiode nicht erstellt werden kann, einen Zwischenbericht über den Stand der Untersuchungen verlangen. Dieser darf eine Beweiswürdigung nur solcher Gegenstände der Verhandlungen enthalten, die der Untersuchungsausschuss mit zwei Dritteln seiner Mitglieder beschlossen hat. Der Abschlussbericht, der Teilbericht oder der Zwischenbericht erfolgen schriftlich.

V. Einholung externen Sachverstandes

Der Untersuchungsausschuss kann jederzeit externen Sachverstand einholen, sofern dieser zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist und im unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag steht.

Ebenso darf externer Sachverstand zur Klärung von Fragestellungen in Anspruch genommen werden, wenn Rechte des Untersuchungsausschusses oder damit in Verbindung stehende Verfahrensfragen von grundlegender oder auch situativer Notwendigkeit betroffen sind, ohne deren Beantwortung ein Fortführen der Untersuchung nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung möglich ist. Die hierzu notwendigen Mittel sind dem Ausschuss zu gewähren.

VI. Ausstattung und Personal

Dem Untersuchungsausschuss und den Fraktionen werden bis zum Ende des Verfahrens zur Verfügung gestellt:

  1. Allen Fraktionen und den Mitarbeitern des Ausschusses werden die erforderlichen Räume im Landtag und die entsprechenden technischen Ausstattungen zur Verfügung gestellt.
  2. Dem Ausschuss und dem Vorsitzenden werden gestellt:
    1. 2 Stellen für Mitarbeiter des höheren Dienstes;
    2. Eine weitere personelle Unterstützung aus dem höheren/gehobenen Dienst sowie aus dem Assistenzbereich.
  3. Den fünf Fraktionen im Landtag werden gestellt:
    1. Die erforderlichen Mittel für je 2 Stellen für Mitarbeiter des höheren Dienstes;
    2. Eine Halbtagskraft zur Assistenz.

Bezogen auf die Abrechnung können wahlweise Pauschalbeträge bis zur Verabschiedung des Untersuchungsausschussberichts je angefangenen Monat der Tätigkeit gewährt werden. Alternativ werden die Kosten des tatsächlichen Personaleinsatzes abgerechnet.

Abschnitt B

Der Landtag behält sich Erweiterungen des Untersuchungsauftrags um weitere Sachverhalte und Zusammenhänge, die sich aus Erkenntnissen ergeben, die erst während des laufenden Untersuchungsausschusses gewonnen werden, ausdrücklich vor.

Markus Wagner
Andreas Keith
Helmut Seifen
Gabriele Walger-Demolsky
Sven Tritschler
Iris Dworeck-Danielowski
Roger Beckamp
Dr. Christian Blex
Thomas Röckemann
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
Nic Vogel
Herbert Strotebeck


Antrag (Drucksache 17/6270)
Beratungsverlauf

Heimische Flora und Fauna vor Windenergieanlagen schützen – Auswirkungen auf die Insektenwelt stärker erforschen

I. Artenschutzproblematik und Windenergieanlagen

Die Öffentlichkeit nimmt die Umweltgefahren durch Windenergieanlagen (WEA) für die heimische Flora und Fauna immer deutlicher wahr. Stein des Anstoßes war eine NABU-Studie aus dem Jahre 2004. Im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz untersuchte das Michael-Otto-Institut die Auswirkungen regenerativer Energiegewinnung auf die biologische Vielfalt am Beispiel der Vögel und Fledermäuse und kam zu dem Ergebnis, dass die Nutzung von Windkraft zu einer höheren Mortalität bei Vögeln und Fledermäusen führt.

Zwei Jahre später erbrachte eine neue NABU-Studie im Auftrag des Landesamtes für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein mit insgesamt 45 Einzeluntersuchungen ein ähnliches Ergebnis. Nach Einschätzung von Vogelschutzexperten steigt das Kollisionsrisiko mit der Anlagengröße.

Ein Verbundprojekt dreier unabhängiger Gutachterbüros und des Lehrstuhls für Verhaltensforschung der Universität Bielefeld hat sich über mehrere Jahre hinweg mit der Ermittlung der Kollisionsraten von Vögeln und mit der Bewertung des Kollisionsrisikos beschäftigt. Gegenstand der Untersuchung waren die WEA in Norddeutschland. Der Abschlussbericht wurde im Jahre 2016 veröffentlicht und dokumentiert unter anderem, dass etwa der streng geschützte Mäusebussard mit bis zu 12.000 getöteten Tieren pro Jahr der Windenergie zum Opfer fällt.

Eine neue Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat erstmals die Wechselwirkungen von Fluginsekten und Windparks untersucht. Anlass der Studie waren die außergewöhnlich großen Mengen von Fluginsektüberresten, die an Rotorblättern festgestellt wurden.

Die DLR-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 24.000 Milliarden Insekten pro Jahr die Rotoren der WEA während ihrer Wanderzüge durchfliegen. Dabei sterben laut den Forschern 1.200 Milliarden Insekten. WEA sind weder die Hauptverursacher des Insektenschwunds, noch daran unbeteiligt. Die untersuchenden Forscher empfehlen eine empirische Überprüfung der Studie, um die Auswirkungen der WEA auf die Insektenwelt besser zu verstehen und ihren Einfluss einschätzen zu können.

II. Der Landtag stellt fest, dass

  1. Windenergieanlagen schädlich für die heimischen Vögel und Fledermäuse sind;
  2. die DLR-Studie erstmals Erkenntnisse zur Wechselwirkung von Fluginsekten und Windenergieanlagen aufgezeigt hat.

IV. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. eine vertiefende Studie über die Auswirkungen der Windenergieanlagen auf die Insektenwelt in Auftrag zu geben;
  2. sich auf Bundesebene für eine Änderung des Umweltverträglichkeitsgesetzes einzusetzen und eine UVP-Pflicht für Windenergieanlagen einzuführen.

Dr. Christian Blex
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion


Antrag (Drucksache 17/6264)
Beratungsverlauf

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zum Behördenskandal im Zusammenhang mit dem publik gewordenen langjährigen und vielfachen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde („PUA Lügde“)

Abschnitt A

I. Sachverhalt: Aus einem Missbrauchsskandal wird ein Behördenskandal

In einem am Abend des 5. März 2019 ausgestrahlten Beitrag des ZDF-Magazins Frontal21 berichtet die mittlerweile 39 Jahre alte Michaela V., dass einer der mutmaßlichen Haupttäter des Missbrauchsskandals auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde, Andreas V., sie bereits im Jahr 1990 als damals elfjähriges Mädchen sexuell missbraucht habe. Ihr Vater habe ihren Offenbarungen damals jedoch keinen Glauben geschenkt.
Dieser jüngste Tatverdacht liegt zeitlich noch einmal deutlich vor den bis dahin der Öffentlichkeit bekannten Verdachtsfällen auf sexuellen Missbrauch durch den Dauercamper Andreas V., der bereits 2002 und 2008 verdächtigt wurde, Kinder missbraucht zu haben. In diesen beiden Fällen blieben die Hinweise, die bei der Polizei eingingen, jedoch folgenlos. Die Hinweise eines Vaters auf Übergriffe durch Andreas V. auf seine Töchter im Jahre 2016, die an die Polizei Lippe weitergegeben wurden, zogen nach Übermittlung der Informationen an das Jugendamt ebenfalls keine Folgen nach sich. Schließlich gingen Polizeikreisbehörde und Jugendamt auch dem Hinweis einer Mitarbeiterin des Jobcenters nicht weiter nach.
Das Jugendamt Lippe behauptet, ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Andreas V. sei in der Behörde nie eingegangen; die Polizei widerspricht dieser Darstellung. Das Jugendamt erteilte V. im selben Jahr mit Einverständnis der Mutter sogar die Pflegeerlaubnis für ein sechsjähriges Pflegekind, das mit dem Tatverdächtigen fortan auf dem Campingplatz lebte. Allein schon die Erteilung der Pflegeerlaubnis bei diesen äußeren Umständen (Wohnsituation!) erscheint dubios.

Im Oktober 2018 zeigte eine Mutter dann den Missbrauch ihrer Tochter durch V. an. Im Laufe der Ermittlungen meldeten sich zwei weitere Opfer bei der Polizei. Allerdings wurde Andreas V. erst Wochen später, am 13. November 2018, das Pflegekind entzogen und dieses in Obhut genommen. Weitere drei Wochen später erfolgten dann die Festnahme und die Unterbringung des Hauptbeschuldigten V. in Untersuchungshaft. Bei Durchsuchungen stieß die Polizei auf zahlreiche Datenträger mit kinderpornografischen Inhalten und weitere Beweismittel. Am 10. und 11. Januar 2019 erfolgten die Festnahmen zweier weiterer Tatverdächtiger, Mario S. und Heiko V. Mario S. wird verdächtigt, neben dem Hauptverdächtigen Andreas V. ebenfalls Kinder auf dem Campingplatz missbraucht zu haben. Heiko V. soll die anderen Männer zu diversen Straftaten angestiftet und mittels Live-Übertragungen bei Missbrauchshandlungen zugesehen haben. Auch bei Durchsuchungen im Zusammenhang mit diesen Festnahmen konnten erneut Datenträger beschlagnahmt werden.

Bis zum 11. Februar 2019 stieg die Gesamtzahl der Tatverdächtigen dann auf sechs Personen. Zwei Eltern werden der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch verdächtigt, eine weitere Person hat mutmaßlich Daten für einen der Hauptverdächtigen gelöscht. Auch bei späteren Durchsuchungen in Wohnungen und Wohnwagen der Haupttatverdächtigen werden immer wieder neue mögliche Beweismittel gefunden, so z.B. am 22. und 27. Februar, sowie am 4. und 5 März 2019.
Ende Februar wurde der nunmehr siebte und bislang letzte Tatverdächtige im Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch in Lügde ermittelt. Ein 16-Jähriger wird verdächtigt, im Besitz von Videomaterial, das auf dem Campingplatz entstanden ist, gewesen zu sein. Womöglich könnte der Minderjährige zugleich selbst auch Opfer sein. Anfang März 2019 berichteten Medien schließlich von einem „mysteriösen Einbruchsversuch“ in den Keller des Elternhauses des Tatverdächtigen Mario S., der diesen mitnutzte. Die Mutter des Tatverdächtigen hatte drei Wochen nach der Festnahme von Mario S. die stark beschädigte Kellertür vorgefunden und dies der Polizei gemeldet.

In der zweiten Märzhälfte hat das zuständige Jugendamt schließlich weitere Kinder in Obhut genommen, die möglicherweise ebenfalls Missbrauchsopfer sind. Es wurde zudem der Verdacht geäußert, dass die betroffenen Eltern oder zumindest einige von ihnen den Täter unterstützt haben könnten, wobei sich die offiziellen Angaben von Regierung und Kreis diesbezüglich zunächst widersprachen.

Gegenwärtig beabsichtigt die Staatsanwaltschaft Detmold, die Anklageschrift noch bis Ende April 2019 fertigzustellen, sodass der Prozess am 6. Juni 2019 vor der Jugendschutzkammer des Detmolder Landgericht beginnen könnte. Nach aktuellen Ermittlungsergebnissen gehen die Behörden von mindestens 35 Opfern der Haupttäter und von über 1000 Einzeltaten – über viele Jahre hinweg – aus. Bei 16 weiteren Personen besteht ein Verdacht, dass auch sie Opfer geworden sein könnten.

Jenseits der juristischen Bearbeitung, Klärung und Aburteilung der einzelnen Straftaten bedarf es einer umfassenden politischen und parlamentarischen Aufarbeitung dieses Missbrauchsskandals, der sich nämlich rasch zu einem Behördenskandal entwickelte:

Immerhin hätten zahlreiche Taten möglicherweise verhindert werden können, wären Polizei und Jugendämter den Verdachtsmomenten der Jahre 2002, 2008 und 2016 ordnungsgemäß nachgegangen. Am 21. Februar 2019 wurde der Öffentlichkeit darüber hinaus bekannt, dass 155 Datenträger, die als Beweismittel zuvor gesichert worden waren, aus einer Asservatenkammer der Kreispolizeibehörde Lippe verschwunden sind, die offenkundig meistens zudem nicht ordnungsgemäß verschlossen war. Die erstmalige Sichtung jener Asservate vor ihrem Verschwinden wurde überdies von einem offenbar überforderten Polizeischüler durchgeführt. Gegen einen Polizeibeamten, der von Mitte Dezember 2018 bis Anfang Januar 2019 für zwei Wochen die Ermittlungen zu den Missbrauchsstraftaten auf dem Campingplatz leitete, ist darüber hinaus eine Anzeige wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt im Kontext der Ermittlungen zu einer anderen möglichen Sexualstraftat gestellt worden, da auch in diesem Falle wichtige Beweismittel verschwunden sind. Der Beamte, der auch in zwei weitere Ermittlungsverfahren involviert gewesen ist, in denen Asservate nicht mehr auffindbar waren, ist mittlerweile vom Dienst suspendiert worden. Besonders brisant ist schließlich, dass ebendieser suspendierte und verdächtigte Beamte wiederum der Tutor jenes Polizeischülers, der mit der Auswertung der im Fall „Lügde“ möglicherweise entwendeten Beweismittel beauftragt war, gewesen ist.

In der Kreispolizeibehörde Lippe ist zudem ein weiterer Beamter tätig, der 2011 wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt und in einem Disziplinarverfahren degradiert worden ist. Dies bestätigte auch das Innenministerium am 9. März 2019. Obzwar das Ministerium mitteilt, dass der einschlägig vorbestrafte Beamte nicht in die Ermittlungen zu dem Missbrauchsskandal eingebunden gewesen sei, verweist ein Opferanwalt darauf, dass er aus gesicherter Quelle erfahren habe, dass der Polizist in eben dem Gebäude seinen Dienst verrichte, in dem auch die Ermittlungen stattgefunden hätten. Ein Beitrag der Tagesschau stellt aus diesem Grund die Frage, ob der Beamte theoretisch Zugriff auf Beweismittel gehabt haben könnte. Auch zwei weitere Beamte der Kreispolizeibehörde Lippe sind in der Vergangenheit durch Sexualdelikte auffällig geworden: Ebenfalls 2011 hat ein Beamter in seinem privaten Bad heimlich eine Videokamera installiert, 2013 hat ein so genannter Tutor eine Polizeischülerin belästigt. Der insgesamt unsachgemäße Umgang der Kreispolizeibehörde Lippe mit sichergestellten Asservaten vor der Übernahme der Ermittlungen durch das Polizeipräsidium Bielefeld ließ zwischenzeitlich sogar eine Diskussion über deren Verwertbarkeit vor Gericht aufkommen, da beispielsweise Beweismittelmanipulationen nicht gänzlich ausgeschlossen werden können.

Über den Leiter des Jugendamtes im Kreis Hameln-Pyrmont ist schließlich bekannt geworden, dass er nach der Verhaftung von Andreas V. Akteneinträge manipuliert hat. Der Landrat des Landkreises musste nach der mittlerweile erfolgten umfassenden Aktenauswertung eingestehen, dass der Behörde seit 2016 mehrere Hinweise auf die Sexualpräferenzen des Haupttäters Andreas V. vorlagen, denen man jedoch nicht ordnungsgemäß nachgegangen ist. Grundsätzlich stellt sich aber auch die Frage, warum Andreas V., der in einer vermüllten Behausung auf einem Campingplatz lebt, überhaupt erst ein Pflegekind zugesprochen worden ist. Fragwürdig erscheint ebenfalls, warum Jugendamtsmitarbeiter teils wöchentlichen Besuchen vor Ort zum Trotze nichts Verdächtiges bemerkt haben wollen. (Eine solche Häufung von amtlichen Besuchen bei Pflegekindern ist höchst ungewöhnlich und schon allein aus personellen Gründen kaum zu bewältigen.)

Zahlreiche dieser Vorgänge blieben nicht ohne Konsequenzen:

„Wegen Strafvereitelung im Amt und wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt die Polizei inzwischen gegen 14 Behördenmitarbeiter. Darunter sind laut offiziellen Angaben zwei Polizisten und acht Angestellte von Jugendämtern der Landkreise Hameln-Pyrmont und Lippe. (…)

Zudem gibt es personelle Konsequenzen. Auf Anweisung des Innenministeriums soll der Detmolder Polizeidirektor an das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten versetzt werden. Landrat Lehmann entband zudem den Leiter der Direktion Kriminalität von seinen Aufgaben. Auch der Jugendamtsleiter von Hameln wurde vom Dienst freigestellt.

Der Umgang mit Beweisstücken soll ebenfalls grundlegend verbessert werden. Während der erneuten Durchsuchung des Campingplatzes räumten Beamte zuletzt sämtliche Gegenstände aus der Behausung von Andreas V. in einen Container. Diese Maßnahme soll verhindern, dass weitere Beweismittel verschwinden.“

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/luegde-wie-der-missbrauchsfall-zum-behoerdenskandal-wurde-a-1255554.html

Der zunächst suspendierte Amtsleiter ist auf einer anderen Position inzwischen wieder im Dienst, da die Vorwürfe gegen ihn nicht so schwerwiegend seien, obschon ihm nach Ende der Ermittlungen weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen drohen könnten. Eine weitere Mitarbeiterin des Jugendamts Hameln-Pyrmont soll wegen einer gravierenderen Aktenmanipulation zwecks Verschleierung früherer Hinweise auf die Sexualpräferenzen des Hauptverdächtigen dagegen fristlos entlassen werden.

Der Missbrauchs- und Behördenskandal reicht in der Gesamtschau weit über die Geschäftsbereiche des Ministeriums des Innern und des Innenausschusses hinaus. Sich verdichtende Hinweise auf individuelles Versagen und strukturelle behördliche Defizite finden sich auch bei den zuständigen Jugendämtern. Die Frage nach einer erforderlichen Sensibilisierung für Anzeichen für sexuellen Missbrauch ist auch schulpolitisch bedeutsam.

Ein Kommentator der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung fand am frühen Donnerstagabend des 14. März 2019, nachdem Minister Herbert Reul den Mitgliedern des Innenausschusses kurz zuvor von weiteren skandalösen Erkenntnissen zu weiteren Opfern, schwerwiegendem Behördenversagen und Ermittlungen gegen einen temporär leitenden Polizeibeamten berichten musste, drastische Worte, um das Ausmaß des Skandals einzuordnen:

„Schlampige Ermittlungen, verschwundene Beweise, suspendierte Polizisten, Behördenversagen aller Orten und eine wöchentlich wachsende Zahl missbrauchter Kinder. Der Abgrund vom Campingplatz „Eichwald“ in Lügde erinnert allmählich an eine deutsche Version des grausamen Falls „Dutroux“, der in den 90er Jahren halb Europa entsetzte.“

https://www.waz.de/meinung/der-deutsche-fall-dutroux-id216665499.html

II. Untersuchungsauftrag und Erkenntnisinteresse

  1. Der Ausschuss erhält den Auftrag, mögliche Versäumnisse, den Verdacht auf Strafvereitelung im Amt, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten der Landesregierung, insbesondere des Ministeriums des Innern, und untergeordneter Landesbehörden, insbesondere der Kreispolizeibehörde, des Jugendamtes und des Landrates des Kreises Lippe beim Umgang mit dem tausendfachen, mutmaßlich jahrzehntelangen und systematischen Missbrauch von zahlreichen Kindern auf einem Campingplatz in Lügde durch mehrere Tatverdächtige zu untersuchen. Hierbei sind ebenfalls sämtliche intra- und interbehördlichen Informationsflüsse zwischen und auf allen Hierarchieebenen relevant.
  2. Überdies soll sich der Ausschuss ein Gesamtbild des Zusammenwirkens der Kommunal- und Landesbehörden Nordrhein-Westfalens mit Kommunal- und Landesbehörden des Bundeslandes Niedersachsen verschaffen und dabei mögliche Versäumnisse, den Verdacht auf Strafvereitelung im Amt, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten im Rahmen dieser länderübergreifenden behördlichen Zusammenarbeit aufklären.
  3. Ferner erhält der Ausschuss den Auftrag, öffentliche Reaktionen von Mitgliedern der Landesregierung und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kommunikation gegenüber dem Parlament aller beteiligten Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen vor und nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals zu untersuchen.
  4. Schließlich soll der Untersuchungsausschuss erörtern, welche möglichen personellen, strukturellen, haushalterischen und gesetzgeberischen Konsequenzen in den Bereichen Personalgewinnung, Ausbildung, Amtsführung, Behördenorganisation, der technischen Ausstattung von Ermittlungsbehörden und Jugendämtern und hinsichtlich der Ausgestaltung des Sexualstrafrechts und des Polizeirechts aus dem jahrzehntelang unentdeckten Missbrauch in Lügde und dem defizitären Umgang der beteiligten Behörden damit gezogen werden müssen.

Im Einzelnen wird der Parlamentarische Untersuchungsausschuss beauftragt, nachfolgende Fragen zu beantworten, die analytisch je nach Vorkenntnissen und nach der konkreten Gestalt des jeweilig zu durchdringenden Gegenstandes zwischen der Mikro-, Meso- und Makroebene oszillieren.

Themenkomplex I: Versäumnisse, Unterlassungen, mögliche Straftaten, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten in der Kreispolizeibehörde Lippe, im Jugendamt des Kreises Lippe und des Landrates des Kreises Lippe unter Berücksichtigung sämtlicher intra- und interbehördlichen Informationsflüsse

Themenkomplex I. a. Kreispolizeibehörde Lippe

  1. Wie gestaltete sich die polizeiliche Sachbearbeitung von eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweisen auf mögliche (Sexual- )Straftaten durch Andreas V.?
    1. Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamten hat/haben eingehende Anzeigen wegen des Verdachtes auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweisen auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahr 2002 bearbeitet?
    2. In welcher Form hat/haben der Polizeibeamte bzw. die Polizeibeamten die eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahre 2002 bearbeitet??
    3. Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamte hat/haben eingehende Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahr 2008 bearbeitet?
    4. In welcher Form hat/haben der Polizeibeamte bzw. die Polizeibeamten die eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahre 2008 bearbeitet??
    5. Welcher Polizeibeamte bzw. welche Polizeibeamte hat/haben eingehende Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahre 2016 bearbeitet?
    6. In welcher Form hat/haben der Polizeibeamte bzw. die Polizeibeamten die eingehenden Anzeigen wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten durch Andreas V. und Hinweise auf mögliche (Sexual-)Straftaten durch Andreas V. im Jahr 2016 bearbeitet??
    7. Welche behördlichen Standards zur Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen und Anzeigen gibt es?
    8. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    9. Sind dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevante Verstöße gegen mögliche behördliche Standards zur polizeilichen Sachbearbeitung von Hinweisen und Anzeigen im Dienstalltag in der Kreispolizeibehörde Lippe identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    10. Welche Mechanismen zur Kontrolle einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung von eingehenden Anzeigen und Hinweisen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen innerhalb der Gliederung der Kreispolizeibehörde?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  2. Wie gestaltete sich die Sicherung und Aufbewahrung von Beweismitteln und die Tatortaufnahme durch die Kreispolizeibehörde Lippe bis zur Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch das Polizeipräsidium Bielefeld ab dem 31. Januar 2019 aufgrund eines Ministererlasses?
    1. Welche dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevanten Verstöße gegen den gesetzlich in § 44 PolG NRW geregelten und mit Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 „Behandlung von Verwahrstücken im Bereich der Polizei“ umgesetzten Umgang mit Asservaten sind in der Kreispolizeibehörde Lippe im Dienstalltag, insbesondere bezüglich des Umgangs mit Asservaten im Missbrauchsfall in Lügde und bezüglich des Umgangs mit den in diesem Fall verschwundenen bzw. entwendeten Asservaten, identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße gegen die in 2.1. genannten Vorgaben auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    2. Gibt es in der Kreispolizeibehörde Lippe behördenspezifische Dienstanweisungen, die den Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 ergänzen?
      1. Welche dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevanten Verstöße gegen mögliche behördenspezifische Dienstanweisungen der Kreispolizeibehörde Lippe, die den Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 ergänzen, sind in der Kreispolizeibehörde Lippe im Dienstalltag, insbesondere bezüglich des Umgangs mit Asservaten im Missbrauchsfall in Lügde und bezüglich des Umgangs mit den in diesem Fall verschwundenen bzw. entwendeten Asservaten, identifizierbar?
      2. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße gegen die in 2.2. genannten Vorgaben auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      3. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
      4. Verstoßen die möglichen behördenspezifischen Dienstanweisungen der Kreispolizeibehörde Lippe zum Umgang mit Asservaten gegen § 44 PolG NRW und/oder den Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029?
    3. Erscheinen die bestehenden Standards des § 44 PolG NRW, des Runderlasses und möglicher behördenspezifischer Dienstanweisungen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    4. Welche Mechanismen zur Kontrolle eines dem § 44 PolG NRW, dem Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 und möglichen, den Runderlass ergänzenden behördenspezifischen Dienstanweisungen gemäßem Umgangs mit Asservaten gibt es in der Kreispolizeibehörde Lippe?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    5. Warum wurden bei weiteren Durchsuchungen noch physisch besonders auffällige Beweismittel gefunden und waren nicht bereits zuvor sichergestellt?
    6. Waren die Tatorte nach der jeweils ersten Tatortaufnahme jederzeit ausnahmslos ordnungsgemäß und lagegerecht vor (manipulativen) Zugriffen gesichert?
    7. Welchen Einfluss auf die Verwertbarkeit der Asservate im zukünftigen Prozess vor der Jugendschutzkammer des Detmolder Landgerichts könnte die Feststellung des Ministeriums des Innern haben, dass der Schutz der Asservate vor Manipulation oder unberechtigten Zugriffen erst seit der Übernahme der Ermittlungen durch das Polizeipräsidium Bielefeld gewährleistet sei?
  3. Wie sind die Personalqualität, die Personalstärke, und der Personaleinsatz in der Kreispolizeibehörde Lippe zu beurteilen?
    1. Warum sichtete ein Polizeianwärter die Datenträger?
    2. Warum wurde nicht auf die neu angeschafften Rechner sowie auf die geschulten IT-Kräfte zurückgegriffen?
    3. Korrelieren die Anschaffung neuer Rechner und die Festnahme des mutmaßlichen Haupttäters miteinander, oder handelt es sich um eine zeitliche Koinzidenz?
    4. Warum wurden Kinder nicht durch besonders geschulte Beamte vernommen?
    5. Wurde der BKV-Personalschlüssel für die Kreispolizeibehörde Lippe eingehalten?
      1. Ist der BKV-Personalschlüssel hinsichtlich der Gewährleistung größtmöglicher Sicherheit für die Bürger Nordrhein-Westfalens adäquat?
      2. Wie unterscheidet sich der nordrhein-westfälische BK-VPersonalschlüssel von denen anderer Bundesländer mit geringerer Kriminalitätsrate (z.B. Bayern)?
      3. Gibt es zugleich einen qualitativen Personalschlüssel? Gibt es Soll-Stellen für besonders geschultes Personal, wie beispielsweise für den Bereich „Kindesmissbrauch“?
      4. Erscheint dieser mögliche Schlüssel vor dem Hintergrund der fallbezogenen Erkenntnisse angemessen?
      5. Wie sind mögliche qualitative Personalschlüssel in anderen Bundesländern gestaltet?
    6. Welchen Einfluss hatten einschlägig vorbestrafte Beamte auf die defizitären Ermittlungen?
    7. Sind die dienstrechtlichen Konsequenzen im Falle von Straftaten durch Polizeibeamte ausreichend, um sowohl Fehler bei Ermittlungsverfahren zu minimieren als auch das Ansehen der Polizei bei den Bürgern zu gewährleisten?
    8. Sind mögliche dienstrechtliche Vorschriften hinsichtlich der Inkenntnissetzung sowie fakultativer oder zwingender Hilfeersuchen an höhere Behörden eingehalten worden?
    9. Sind die diesbezüglichen Vorschriften ausreichend, um ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden?

Themenkomplex I. b. Kreisjugendamt Lippe

  1. Wie viele Mitarbeiter sind für wie viele Fälle im Jahr verantwortlich?
  2. Ist das Kreisjugendamt personell und sachlich für seine Aufgaben adäquat ausgestattet, um das Kindeswohl in jedem Fall zu gewährleisten?
  3. Gibt es verbindliche Standards bei der Auswahl von Pflegeeltern?
  4. Sind diese möglichen Standards im vorliegenden Fall eingehalten worden?
  5. Welchen Veränderungsbedarf gibt es hinsichtlich der Etablierung von am Kindeswohl orientierten Standards bei der Auswahl von Pflegeeltern sowie deren Einhaltung respektive Kontrolle und etwaigen Sanktionierung?
  6. Wie gestaltete sich der Umgang des Jugendamtes des Kreises Lippe mit Hinweisen auf Sexualpräferenzen, mögliche Sexualstraftaten und die Lebensumstände des Haupttatverdächtigen?
    1. Was war dem Amt, zu welchem Zeitpunkt bekannt?
    2. Durch welche Person bzw. welche Institution (z.B. Polizeibehörden, NGOs, etc.) hat das Amt Kenntnis bekommen?
    3. Welche behördlichen Standards zur Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen gibt es?
    4. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
    5. Sind dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevante Verstöße gegen mögliche behördliche Standards zur jugendamtlichen Sachbearbeitung von Hinweisen im Dienstalltag im Kreisjugendamt Lippe identifizierbar?
      1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen und/oder einer strukturellen Ebene?
      2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
    6. Welche Mechanismen zur Kontrolle einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen innerhalb der Gliederung des Kreisjugendamtes?
      1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
      2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  7. Im Hinblick auf die Aktenmanipulationen im Jugendamt Hameln-Pyrmont: Gibt es Standards zur Kontrolle? Wären in Nordrhein-Westfalen vergleichbare Vorgänge möglich?

Themenkomplex I. c. Landrat des Kreises Lippe

  1. Welches Fehlverhalten lässt sich hinsichtlich der Arbeit des Landrats Lippe identifizieren?
  2. Ist die Aufsichtspflicht gegenüber der Kreispolizeibehörde und des Jugendamts des Kreises Lippe zeitnah und einwandfrei erfolgt?
  3. Welche Maßnahmen wurden hinsichtlich der Betreuung der Opfer und ihrer Angehörigen ergriffen?
  4. Erscheinen die ergriffenen Maßnahmen der Opferbetreuung vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?

Themenkomplex II: Informationsflüsse zwischen Unter-, Mittel-, Landesoberbehörden und Ministerien, Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten in Landesoberbehörden und in Ministerien

  1. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen dem nordrhein-westfälischen Landesjugendamt und dem Kreisjugendamt Lippe?
    1. Sind die dafür geltenden Standards eingehalten worden (pro-, wie reaktiv)?
    2. Sind die Kontroll-, Aufsichts- und Sanktionsmöglichkeiten des Landesamtes ausreichend?
  2. Sind im vorliegenden Missbrauchsfall polizeiliche WE-Meldungen ausnahmslos und fristgerecht anhand der geltenden Vorschriften erfolgt?
  3. Sind die Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten für den Fall ausreichend, dass gegen solche Vorschriften verstoßen wird?
  4. Wann ist welche Behörde auf welcher Hierarchieebene zuständig?
    1. Wann hätte beispielsweise das Polizeipräsidium Bielefeld durch die Kreispolizeibehörde Lippe eingeschaltet werden müssen?
    2. Wann hätte das Landesjugendamt durch das Kreisjugendamt eingeschaltet werden müssen?
  5. Sind die Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten der ministeriellen Ebene hinsichtlich eines ordnungsgemäßen Informationsaustausches zwischen Unter-, Mittel- und Landesoberbehörden ausreichend?
  6. Auf welche Weise und aus welchen Sachgründen hat sich die Abteilung Polizei des Ministeriums des Innern pro- und/oder reaktiv in die Ermittlungen eingeschaltet?
  7. Reichen die strukturellen Dienstaufsichts- und Qualitätssicherungsbefugnisse des Ministeriums des Innern aus?
  8. Wie gestaltete sich die Kommunikation zwischen dem Ministerium des Innern, dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW, dem Polizeipräsidium Bielefeld und der Kreispolizeibehörde Lippe vor dem Hintergrund zeitlicher Verzögerungen im Detail?
  9. Wie ist die eingesetzte „Task Force Lügde“ horizontal und vertikal mit den zuständigen Behörden verschränkt? Welche möglichen Weisungsbefugnisse bestehen?
  10. Welche fallbezogenen Informationsflüsse gab es zwischen der Staatsanwaltschaft Detmold und dem Ministerium der Justiz?
  11. Welche fallbezogenen Informationsflüsse gab es zwischen dem Ministerium des Innern und dem Justizministerium?
  12. Welche Befugnisse hat die neue Stabsstelle Kindesmissbrauch? Wie ist diese in die bisherigen Polizeiaufbaustrukturen Nordrhein-Westfalens integriert?

Themenkomplex III: Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten bezüglich etwaiger interbehördlicher Informationsflüsse zwischen sämtlichen Behörden der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen

  1. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen den Kreispolizeibehörden Lippe und Hameln-Pyrmont?
  2. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen der Kreispolizeibehörde Lippe, dem Jugendamt Hameln-Pyrmont und der sozialpädagogischen Familienhilfe?
  3. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen den Kreisjugendämtern Lippe und Hameln-Pyrmont und der sozialpädagogischen Familienhilfe?
  4. Wie gestalteten sich die fallbezogenen Informationsflüsse zwischen der Kreispolizeibehörde Hameln-Pyrmont und dem Jugendamt Lippe?
  5. Welche behördlichen Standards gibt es in beiden Bundesländern bei Kreispolizeibehörden und Kreisjugendämtern bezüglich des interbehördlichen Informationsaustausches und der anschließenden Sachbearbeitung von eingehenden Informationen?
  6. Erscheinen die bestehenden Standards vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse als ausreichend?
  7. Wo sind im Rahmen der oben genannten interbehördlichen und fallbezogenen Informationsflüsse Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und anderweitiges Fehlverhalten identifizierbar, die dienstrechtlich oder gar strafrechtlich relevant sind und gegen mögliche behördliche Standards verstoßen?
    1. Manifestieren sich die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße auf einer individuellen oder einer strukturellen Ebene?
    2. Lassen sich singuläre bzw. multiple singuläre Verstöße identifizieren oder erscheinen die gegebenenfalls identifizierbaren Verstöße als ein für einen bestimmten Zeitraum auf Dauer gestelltes Fehlverhalten individueller und/oder struktureller Art?
  8. Welche Mechanismen zur Kontrolle eines ordnungsgemäßen Informationsaustausches und einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung interbehördlich ausgetauschter Informationen gibt es auf verschiedenen Diensthierarchieebenen?
    1. Warum haben diese Kontrollmechanismen gegebenenfalls nicht gegriffen?
    2. Erscheinen die bestehenden Kontrollmechanismen vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse ausreichend?
  9. Welche Maßnahmen wurden hinsichtlich der Betreuung der Opfer und ihrer Angehörigen durch die Landesregierung in Absprache mit dem Kreis Lippe ergriffen?

Themenkomplex IV: Öffentliche Reaktionen von Mitgliedern der Landesregierung, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kommunikation gegenüber dem Parlament aller beteiligten Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen

  1. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, hat datenschutzrechtliche Bedenken bezüglich der öffentlichen Äußerungen des Ministers des Innern, Herbert Reul, über die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen einzelne Beamte im Zusammenhang mit dem Missbrauchs- und Behördenskandal und des Vorgehens des Innenministeriums angemeldet. Die GdP hat daher die Landesdatenschutzbeauftragte eingeschaltet. Wie sind die öffentlichen Aussagen des Innenministers über die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen einzelne Beamte im Zusammenhang mit dem Missbrauchs- und Behördenskandal und das Vorgehen des Innenministeriums bei behördeninternen Ermittlungen und Datenerhebungen zu diesem Zwecke zu bewerten?
    1. Hat Herbert Reul als oberster Dienstherr durch öffentliche Aussagen Datenschutzgrundsätze verletzt?
    2. Hat Herbert Reul durch seine Aussagen das Vertrauensverhältnis zwischen den nordrhein-westfälischen Polizeivollzugsbeamten und ihrem obersten Dienstherren nachhaltig beschädigt?
    3. Sind im Rahmen von internen Ermittlungen und Datenerhebungen, deren Ergebnisse teils öffentlich kommuniziert worden sind, Datenschutzgrundsätze verletzt worden?
  2. Im schriftlichen Nachbericht der Landesregierung für die Sitzung des Innenausschusses am 14. März 2019 bezüglich eines Fragenkatalogs der SPD-Fraktion vom 26. Februar 2019 antwortet das Ministerium auf Frage 26, was Herbert Reul konkret meine, wenn er sagt, es bleibe bei den Ermittlungen „kein Stein auf dem anderen“: „Der Minister des Innern meint damit, dass alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden und die Fälle besonders sorgfältig aufgearbeitet werden. Dies beinhaltet auch konkret die vollumfängliche Spurensuche und Beweissicherung vor Ort.“ Bedeutet diese Aussage im Umkehrschluss also, dass in anderen, nicht derart öffentlich beleuchteten Ermittlungsverfahren nicht sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, die Fälle nicht besonders sorgfältig aufgearbeitet werden und vor Ort keine vollumfängliche Spurensuche und Beweissicherung gewährleistet ist?
  3. Hat die öffentliche Mutmaßung Herbert Reuls, wonach die verschwundene Asservate keine Auswirkungen auf die Anklageerhebung haben werden, obgleich die Landesregierung nicht ausschließen kann, dass damit möglicherweise Daten über weitere Täter oder auch entlastendes Material abhandengekommen sein könnten, der Vertrauenswürdigkeit des Amtes des Innenministers geschadet?
  4. Hat die öffentliche Mutmaßung Herbert Reuls, wonach es seiner Großmutter aufgefallen wäre, dass in Lügde etwas nicht stimme, um auf ein mutmaßliches umfassendes Behördenversagen aufmerksam zu machen, vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse in unangemessener Weise die Arbeit ganzer Behörden und unbescholtener Beamter in Mithaftung genommen?

Themenkomplex V: Personelle, strukturelle, haushalterische und gesetzgeberische Konsequenzen in den Bereichen Personalgewinnung, Ausbildung, Amtsführung, Behördenorganisation, der technischen Ausstattung von Ermittlungsbehörden und hinsichtlich der Ausgestaltung des Sexualstrafrechts und des Polizeirechts

  1. Wie gestaltet sich die vertikale und horizontale Organisationsstruktur des Jugendamtswesens in Nordrhein-Westfalen?
    1. Welche Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsebenen und -möglichkeiten existieren für diese?
    2. Sind die Landesjugendämter hinsichtlich ihrer Personalstärke sowie ihrer rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Kreisjugendämter ausreichend ausgestattet?
  2. Hat das Land für ausreichende Standardisierungen bei der Auswahl von Pflegeeltern sowie und bei der (auch psychologischen) Begleitung der betroffenen Kinder gesorgt?
  3. Sind die Kreisjugendämter mit Personal, Sachmitteln und der Möglichkeit zur Fortbildung ausreichend ausgestattet?
  4. War das Einräumen der Möglichkeit, kleineren Kommunen die Einrichtung eines eigenen Jugendamtes zu erlauben, richtig, und wurde diese Entscheidung von Seiten des Landes ausreichend hinsichtlich der Finanzierung, der personellen und sachlichen Ausstattung sowie dienstrechtlicher Kontroll-, Aufsichts- und Sanktionsmöglichkeiten begleitet?
  5. Ist der Personalschlüssel für die zu bewältigenden Fallzahlen immer ausreichend? Wer kontrolliert dies und schafft pro- oder reaktiv Abhilfe?
  6. Lassen sich mögliche Probleme für die Gewährleistung des Kindeswohls durch mangelnde Ausstattung, Doppelzuständigkeiten und/oder mangelnde Kontrollmöglichkeiten identifizieren?
  7. Ist eine Reform des Jugendamtswesens in Nordrhein-Westfalen geboten, um das Kindeswohl besser zu gewährleisten als dies bisher der Fall ist, oder reichen Einzelmaßnahmen, die Etablierung von landesweiten Standards sowie ein höherer Mitteleinsatz aus?
  8. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, den BKV-Personalschlüssel für Soll-Stellen der nordrhein-westfälischen Landespolizei in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu verbessern?
  9. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die in § 44 PolG NRW geregelten, mit dem Runderlass des Innenministers vom 24.10.1983 – IV A 2 – 2029 umgesetzten und durch mögliche behördenspezifischen Dienstanweisungen der unteren Landesbehörden ergänzten Standards zum Umgang mit Asservaten sowie die Kontrollmechanismen eines ordnungsgemäßen Umgangs zu verbessern?
  10. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die Standards der polizeilichen Sachbearbeitung von eingehenden Hinweisen und Anzeigen sowie die Kontrollmechanismen einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu verbessern?
  11. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die Standards der Sachbearbeitung von interbehördlichen und länderübergreifenden Informationsflüssen und die Kontrollmechanismen einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung bei Jugendämtern und Polizeibehörden zu verbessern?
  12. Ist eine (umfassende) Reform der vielgliedrigen Polizeistruktur Nordrhein-Westfalens mit ihrem komplexen Zuständigkeitsgeflecht geboten, um die Sicherheit der Bürger besser zu gewährleisten als dies bisher der Fall ist, oder reichen Einzelmaßnahmen und ein höherer Mitteleinsatz aus?
  13. Sind die Sanktionsmöglichkeiten des Dienstrechts ausreichend geschärft?
  14. Sind die verschiedenen Zuständigkeiten auf ministerieller Ebene für den Bereich des Kinder- und Jugendschutzes noch zielgenau aufgeteilt, oder bedarf es anders konzipierter Bündelungen von Kompetenzen?
  15. Erscheint der Strafrahmen in der gegenwärtigen Fassung des Strafgesetzbuches bei Sexualdelikten in jedem Fall angemessen?
  16. Sind die Möglichkeiten der Unterbringung und Therapie für Sexualstraftäter (auch in der Nachsorge) ausreichend?
  17. Wo und wie muss die Landesregierung, insbesondere der Minister des Innern, Form, Zeitpunkt und Inhalt der externen Kommunikation mit dem Parlament, den Medien und der interessierten Öffentlichkeit optimieren?
  18. Muss der Datenschutz bei behördeninternen Ermittlungen und Datenerhebungen zu diesem Zwecke verbessert werden?
  19. Welche Möglichkeiten gibt es vor dem Hintergrund der in dem hier beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu gewinnenden Erkenntnisse, die Betreuung von Opfern und ihren Angehörigen zu verbessern?
  20. Wie kann die Sensibilisierung für und Schulung im Umgang mit möglichem sexuellen Kindesmissbrauch von Lehrern, Ärzten, Vereinen, Kitas, Eltern und weiteren relevanten Kontaktpersonen verbessert werden?

III. Untersuchungszeitraum

Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf den Zeitraum von dem frühesten gegenwärtig bekannten Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch einen der Haupttatverdächtigen, der laut Aussage des damals elfjährigen Opfers vor 28 Jahren stattfand, bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses.

IV. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses

Der Landtag Nordrhein-Westfalen setzt einen aus 13 stimmberechtigten Mitgliedern und einer entsprechenden Zahl von stellvertretenden Mitgliedern bestehenden Untersuchungsausschuss ein.

Die Verteilung der zu vergebenden Sitze im Untersuchungsausschuss erfolgt folgendermaßen:

CDU5 Mitglieder
SPD4 Mitglieder
FDP2 Mitglieder
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN1 Mitglied
AfD1 Mitglied

V. Teilweiser und vollständiger Abschlussbericht

Der Untersuchungsausschuss wird beauftragt, soweit möglich nach Abschluss seiner Untersuchungen dem Landtag gemäß § 24 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen einen Abschlussbericht vorzulegen.

Sollte ein Abschlussbericht nicht vorgelegt werden können, hat der Untersuchungsausschuss auf Verlangen des Landtages oder der Antragsteller über abtrennbare Teile des Einsetzungsauftrages dem Landtag einen Teilbericht zu erstatten, wenn die Beweisaufnahme zu diesem Teil abgeschlossen und der Bericht ohne Vorgriff auf die Beweiswürdigung der übrigen Untersuchungsaufträge möglich ist.

Der Landtag kann darüber hinaus vom Untersuchungsausschuss jederzeit, bei Vorliegen eines allgemeinen öffentlichen Interesses oder wenn ein Schlussbericht vor Ablauf der Wahlperiode nicht erstellt werden kann, einen Zwischenbericht über den Stand der Untersuchungen verlangen. Dieser darf eine Beweiswürdigung nur solcher Gegenstände der Verhandlungen enthalten, die der Untersuchungsausschuss mit zwei Dritteln seiner Mitglieder beschlossen hat. Der Abschlussbericht, der Teilbericht oder der Zwischenbericht erfolgen schriftlich.

VI. Einholung externen Sachverstandes

Der Untersuchungsausschuss kann jederzeit externen Sachverstand einholen, sofern dieser zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist und im unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag steht.

Ebenso darf externer Sachverstand zur Klärung von Fragestellungen in Anspruch genommen werden, wenn Rechte des Untersuchungsausschusses oder damit in Verbindung stehende Verfahrensfragen von grundlegender oder auch situativer Notwendigkeit betroffen sind, ohne deren Beantwortung ein Fortführen der Untersuchung nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung möglich ist. Die hierzu notwendigen Mittel sind dem Ausschuss zu gewähren.

VII. Ausstattung und Personal

Dem Untersuchungsausschuss und den Fraktionen werden bis zum Ende des Verfahrens zur Verfügung gestellt:

  1. Allen Fraktionen und den Mitarbeitern des Ausschusses werden die erforderlichen Räume im Landtag und die entsprechenden technischen Ausstattungen zur Verfügung gestellt.
  2. Dem Ausschuss und dem Vorsitzenden werden gestellt:
    1. 2 Stellen für Mitarbeiter des höheren Dienstes;
    2. Eine weitere personelle Unterstützung aus dem höheren/gehobenen Dienst sowie aus dem Assistenzbereich.
  3. Den fünf Fraktionen im Landtag werden gestellt:
    1. Die erforderlichen Mittel für je 2 Stellen für Mitarbeiter des höheren Dienstes;
    2. Eine Halbtagskraft zur Assistenz.

Bezogen auf die Abrechnung können wahlweise Pauschalbeträge bis zur Verabschiedung des Untersuchungsausschussberichts je angefangenen Monat der Tätigkeit gewährt werden. Alternativ werden die Kosten des tatsächlichen Personaleinsatzes abgerechnet.

Abschnitt B

Der Landtag behält sich Erweiterungen des Untersuchungsauftrags um weitere Sachverhalte und Zusammenhänge, die sich aus Erkenntnissen ergeben, die erst während des laufenden Untersuchungsausschusses gewonnen werden, ausdrücklich vor.

Markus Wagner
Andreas Keith
Helmut Seifen
Gabriele Walger-Demolsky
Sven Tritschler
Iris Dworeck-Danielowski
Roger Beckamp
Dr. Christian Blex
Thomas Röckemann
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
Nic Vogel
Herbert Strotebeck


Antrag (Drucksache 17/5635)
Beratungsverlauf

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