Notstand der Bauern – Bundesweite Bauernproteste gegen die Agrarpläne der Bundesregierung

6. November 2019

Dr. Christian Blex » Landtag » 17. Wahlperiode » Anträge » Notstand der Bauern – Bundesweite Bauernproteste gegen die Agrarpläne der Bundesregierung

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Notstand der Bauern – Bundesweite Bauernproteste gegen die Agrarpläne der Bundesregierung

6. November 2019

I. Ausgangslage

Am Dienstag, dem 22. Oktober 2019, sind über 6.000 Landwirte nach Bonn gefahren und haben auf einer der bisher größten Kundgebungen gegen die Agrarpläne der Bundesregierung protestiert. Die Landwirte haben mit ihrer Sternfahrt nach Bonn vielerorts einen kilometerlangen Stau verursacht. Sie stellten sich demonstrativ gegen praxisferne Vorschriften von Politikern ohne fachliche Qualifikation und forderten als Betroffene ein Mitspracherecht bei der Weiterentwicklung der Landwirtschaft.

Auslöser der „Grünen-Kreuze-Bewegung“ sind die Agrarpläne der Bundesagrarministerin Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Schulze (SPD). So plant die Bundesregierung eine weitere Verschärfung der Düngeverordnung, zusätzliche Einschränkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, das Glyphosat-Verbot nach dem Jahre 2023 und eine massive Umschichtung der EU-Agrarsubventionen.

Verschärfung des EU-Grenzwertes für Nitrat mit schweren Folgen für die Landwirte

Die EU-Trinkwasserrichtlinie schreibt einen einheitlichen Grenzwert von 50 mg Nitrat je Liter für das Trinkwasser in allen EU-Mitgliedsstaaten vor. Wird dieser „Schwellenwert“ überschritten, fordert die EU-Kommission Maßnahmen zur Reduktion des Nitratgehalts.

Vor dem Jahre 1986 betrug der Grenzwert für Trinkwasser in Deutschland noch 90 mg/L. Seinerzeit verkündete das Bundesgesundheitsamt zur Verschärfung des Grenzwertes: „Im Trinkwasser enthaltenes Nitrat hat in Konzentrationen bis zum früheren Grenzwert von 90 mg/L zu keiner nachweisbaren Gesundheitsschädigung der Bevölkerung geführt.“ und weiter heißt es „In den letzten 20 Jahren ist in der Bundesrepublik Deutschland kein Fall einer Säuglingsblausucht, verursacht durch Nitrat im Trinkwasser, in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden„.

Hintergrund der Verschärfung des Grenzwerts war im Jahre 1982 ein Bericht des STERN über Nitratwerte von über 300 mg/L im Trinkwasser. Daraufhin haben die Wasserwerke den Nitratgehalt durch die Anwendung moderner Verfahren im Trinkwasser erfolgreich reduziert. Eine Gesundheitsgefährdung der Menschen in Nordrhein-Westfalen durch zu hohe Nitratwerte im Trinkwasser gilt damit praktisch als ausgeschlossen. Die aktuelle Darstellung des EU-Grenzwerts als „Giftigkeitsgrenze“ (Bezeichnung durch das Umweltbundesamt) darf auf Grund toxikologischer Erkenntnisse im besten Falle als irreführend bezeichnet werden.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt einen täglichen Grenzwert von 3,7 mg Nitrat pro Kilogramm Körpergewicht, das entspricht bei einem Körpergewicht von 70 kg einer erlaubten Aufnahmemenge von 259 mg Nitrat pro Tag. Die durchschnittliche Nitrat-Aufnahme beträgt zwischen 50 und 160 mg pro Tag. Der Mensch nimmt Nitrat über viele Lebensmittel auf, wobei die größte Aufnahmequelle das Gemüse mit ca. 62 Prozent ist. So enthält Spinat ca. 1.200 mg Nitrat pro Kilogramm. In Deutschland hat Trinkwasser die höchste Qualität und gehört zu den am besten überwachten Lebensmitteln in der ganzen Welt.

Die aktuellen Fragestellungen bezüglich zu hoher Nitratwerte sind künstlich hervorgerufen und grundsätzlich dadurch entstanden, dass die EU die hohen Lebensmittelqualitätsstandards auch für das Grundwasser verpflichtend gemacht hat. Mit der EU-Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG wurde der EU-Grenzwert für das Nitrat im Trinkwasser einfach für das Grundwasser übernommen. Das ist deshalb problematisch, weil Nitrate zu den wichtigsten Grund und Nährelementen in der Nahrungsmittelproduktion gehören und für die moderne Landwirtschaft unverzichtbar geworden sind. Die Nutzpflanzen nehmen über ihre Wurzeln diesen Grundbaustein auf und wandeln ihn durch Photosynthese in lebenswichtige Proteine um. Eine ausreichende Versorgung der Nutzpflanzen mit notwendigen Düngemitteln ist für das Pflanzenwachstum, zum Schutz der Bodenfruchtbarkeit und letztlich für den Menschen einfach unverzichtbar.

Auf Grund der uneinheitlichen Bodenbeschaffenheit kann es jedoch in einzelnen Regionen Nordrhein-Westfalens dazu kommen, dass die Düngemittel sehr schnell aus dem Boden ausgewaschen werden und ins Grundwasser gelangen. Deshalb sind die Landwirte schon in die Pflicht genommen worden, ihre Düngeausbringung sehr umfangreich zu dokumentieren und bilanzieren.

Die gleiche Akribie wird jedoch nicht von den Überwachungsbehörden und ihren Nitrat-Messstellen verlangt. Laut des LANUV-Fachberichts 55 existieren in Nordrhein-Westfalen 3.709 Nitrat-Messstellen, von denen 13,9 Prozent den EU-Grenzwert für Grundwasser im Jahr 2014 überschritten. Auch hier ist das Problem künstlich erzeugt worden, da sich diese Prozentangabe nicht etwa auf die Überschreitung eines EU-Grenzwerts einer bestimmten Nitrat-Messstelle bezieht, sondern auf die Anzahl der Nitrat-Messstellen überhaupt. Diese Vorgehensweise beeinflusst maßgeblich die Darstellung der Nitratbelastung. Selbst das Umweltbundesamt musste zugegeben, dass die positive Entwicklung der belasteten Nitrat-Messstellen von fast 50 Prozent im vorletzten Nitratbericht (2012) auf nur noch 28 Prozent im letzten Nitratbericht (2016) aufgrund einer neuen Messnetzgestaltung mit mehr Nitrat-Messstellen entstanden ist.

Dennoch sind die Messdaten nicht vergleichbar. Selbst unter den Bundesländern gibt es erhebliche Unterschiede. So übermittelt das Land Mecklenburg-Vorpommern seit 2014 keine Nitratwerte im Grundwasser mehr an die Landesarbeitsgemeinschaft für den Länderindikator. Auch sind die deutschen Nitrat-Messstellen im europaweiten Vergleich nicht repräsentativ. Laut des letzten Nitratberichts aus dem Jahre 2016 hat Deutschland bezogen auf 1 Mio. Hektar ca. 42 Nitrat-Messstellen, dagegen hat die kleine Republik Malta 3.727 Nitrat-Messstellen. Das bedeutet, eine einzelne deutsche Nitrat-Messstelle deckt eine Fläche von mehr als 23.800 Hektar ab.

Die durchschnittliche Größe eines landwirtschaftlichen Betriebs in NRW beträgt ca. 42,8 Hektar. Somit teilen sich rund 556 landwirtschaftliche Betriebe in NRW mit allen anderen möglichen Nitrat-Eintragsquellen eine Nitrat-Messstelle. Die jetzigen Rahmenbedingungen führen zu einer umfassenden Kollektivhaftung. Das aktuelle Betriebssitzproblem ist unbestreitbar ein Problem der Politiker und nicht der Landwirte. Dass nach Angaben der NRW-Umweltministerin Heinen-Esser über 10 Prozent der Nitrat-Messstellen fehlerhaft sind, bestätigt die politische Agrarkatastrophe.

Ein aussagekräftiger Gesamtwert für die Nitratbelastung im Grundwasser existiert nicht. Jede Grundwassermessstelle wird in unterschiedlicher Höhe zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Häufigkeiten beprobt. Eine belastbare Auswertung der Nitratbelastung für den „EU-Einheitswert“ setzt eine gleichgewichtete Beprobung unter gleichen Bedingungen von gleichwertigen Böden voraus. Da eine solche Voraussetzung jedoch nicht eingehalten werden kann, fehlt bis heute der wissenschaftliche Anspruch bei der Beurteilung der Nitratbelastung.

Die direkte Übertragung der Messergebnisse auf die Grundwasserkarten mit der Einstufung des Nitrats als chemischem Schadstoff (durch das Umweltbundesamt) führt zu der unwissenschaftlichen Aussage, dass 34,8 Prozent aller Grundwasservorkommen in Deutschland im „schlechten Zustand“, „chemisch belastet“ oder gar „Nitrat belastet“ sind.

Im April 2016 reichte die EU-Kommission eine Klage gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof ein. Das EuGH-Urteil stammt vom 21. Juni 2018 und verpflichtet Deutschland zu strengeren Auflagen, die hauptsächlich die Landwirte treffen sollen. Doch bezog sich die Klage seinerzeit auf die alte Düngeverordnung, nicht auf die neue überarbeitete, die seit dem Jahre 2017 in Kraft ist. Aus Sicht der EU sei der Kontrollwert von 60 kg Stickstoff pro Hektar zu gering und so werden vor allen Dingen in den von Nitrat „belasteten“ Regionen, den sog. „roten Gebieten“, weitere strenge Maßnahmen gefordert: Verbot der Herbstdüngung, verpflichtende Zwischenfrüchte (ohne Futternutzung), die schlagbezogene Anrechnung des Düngemittels, sowie die willkürliche Absenkung des Düngebedarfs pauschal um 20 Prozent. Das alles soll umgesetzt werden, obwohl die „roten Gebiete“ nicht hinreichend differenziert sind und ein Verursacher nicht ausgemacht werden kann.

Sollte Deutschland den unionsrechtlichen Minderungsplanzielen nicht nachkommen, drohen absurd hohe Vertragsstrafen von 850.000 Euro pro Tag.

Die Agrar- und Umweltpolitik der EU ist an einem irrsinnigen Punkt der Überregulierung angelangt. Im Interesse der deutschen Landwirte muss Deutschland viele realitätsferne Vorschriften auf den Prüfstand stellen und sich für eine Renationalisierung von agrar- und umweltpolitischen Kompetenzen einsetzen.

Flächenverbrauch und die Notwendigkeit von Pflanzenschutzmitteln

Auch die Diskussion um Pflanzenschutzmittel muss wieder versachlicht und vor dem Hintergrund der zunehmenden Flächeninanspruchnahme betrachtet werden. Die Flächeninanspruchnahme für z.B. Siedlungsfläche, Verkehrsfläche und Betriebsfläche, erfolgt ausschließlich auf Kosten wertvoller Agrarflächen. Mit der Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) hat sich zwar die schwarz-gelbe Landesregierung von der strikten Vorgabe verabschiedet, nicht mehr als 5 Hektar an Fläche pro Tag in NRW zu verbrauchen, hat es aber unterlassen, Auswege für die Landwirte gegen eine weitere Intensivierung der Flächennutzung aufzuzeigen.

Währenddessen erhöht auch die EU-Agrarpolitik den Druck auf die Landwirte. Mit den vorgeschriebenen ökologischen Vorrangflächen von fünf Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden Landwirte schleichend enteignet. Vielerorts werden die Flächen einfach stillgelegt, weil eine duale Bewirtschaftung nach klassisch-traditioneller und ökologischer Bewirtschaftung schlichtweg zu aufwendig ist.

Mit der Nullzins-Politik der EZB wurden Anreize für landwirtschaftsfremde Spekulanten zum Ankauf von Ackerland im großen Stil geschaffen. Spekulanten kaufen die Flächen auf, legen sie still und erlangten so Anspruch auf EU-Agrarsubventionen. Die unwiederbringliche Konvertierung von wertvollem Ackerland in Dauergrünland darf als eine der schädlichsten Maßnahmen der Agrarpolitik betrachtet werden.

Selbst der Europäische Rechnungshof kam zu dem Ergebnis, dass die sog. Greening-Auflagen trotz der hierfür eingesetzten Milliardenbeträge keine nennenswerten Beiträge zum Umwelt- und Naturschutz leisten. Dazu sagte Samo Jereb vom Europäischen Rechnungshof im Gespräch mit TOP AGRAR: „Das Greening ist bisher wirklich keine Erfolgsgeschichte„. Dennoch halten die EU-Agrarpolitiker an der fragwürdigen Praxis der Zwangsstillegung fest, die im eigentlichen Sinne nicht mehr als Programm zum Schutz von Insekten, sondern als Programm zum Abbau von Produktionsüberschüssen verstanden werden muss.

Aufgrund der gestiegenen Pachtpreise wird vor allen Dingen den kleineren und mittleren Familienbetrieben die Chance zum Aufkauf von Agrarflächen zum Expandieren genommen. Der Druck auf die Landwirte ist gestiegen, auf den verbleibenden Flächen erfolgreich zu wirtschaften. Um die Ertragsverluste durch Flächenverlust zu kompensieren, müssen Landwirte immer stärker auf hochgezüchtete Pflanzensorten und effektive Pflanzenschutzmittel zurückgreifen. Doch nach den Plänen der Bundesregierung soll den Landwirten der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erschwert werden, inklusive eines Verbots von Glyphosat nach dem Jahre 2023.

Glyphosat wird immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung mit Krebs in Verbindung gebracht. Dabei kann die Entstehung von Krebs immer noch nicht vollständig ursächlich belegt werden. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), eine Abteilung der WHO, ordnet karzinogene Substanzen in drei Kategorien ein: Karzinogen, wahrscheinlich karzinogen und möglicherweise karzinogen. An dieser Klassifizierung gibt es jedoch international heftige Kritik.

Glyphosat wurde vor 40 Jahren als Herbizid entdeckt. Aufgrund seiner biochemischen Struktur wirkt es ausschließlich im pflanzlichen Stoffwechsel und nicht bei Menschen oder Tieren. Eine

Vielzahl internationaler Studien hat eine karzinogene Wirkung des Wirkstoffes Glyphosat verneint. Erst im März 2015 wurde Glyphosat von der IARC als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, was heftigen Widerstand bei der Wissenschaft und bei den unzähligen Genehmigungsbehörden (USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, auch der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit) auslöste. Die Einstufung von Glyphosat durch IARC beruhte nicht auf epidemiologischen Beobachtungen, sondern auf Tierversuchen. Es drängte sich der Verdacht auf, dass vorschnell eine Krebsangst heraufbeschworen wurde. SPON berichtete im Oktober 2017 von einer „Vergifteten Debatte„. Die gemessenen Mengen seien so gering, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung immer wieder beruhigt und entwarnt. So seien „die entdeckten Mengen [Glyphosat im Bier] so gering […], dass der Durchschnittsdeutsche Hunderte Liter Bier an einem einzigen Tag runterschlucken könnte, ohne dass eine Gefahr vom Pestizid ausginge„.

Die Politik steht in der Verantwortung, sich für den Erhalt eines wirksamen Pflanzenschutzes nach guter fachlicher Praxis als Grundlage jeglicher landwirtschaftlichen Produktion einzusetzen. Die bewährten Zulassungsstandards im Hinblick auf Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz dürfen weder vernachlässigt noch praxisfern verschärft werden. Solange mögliche Gefahren durch Glyphosat nicht wissenschaftlich untermauert sind, darf die Bundesregierung keine Verbote für den Einsatz von Glyphosat aussprechen.

EU-Agrarsubventionen verzerren den Wettbewerb

Unter den deutschen Top-Empfängern von Agrarsubventionen ist kein einziger Landwirt. So ist der größte Subventionsempfänger das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern. Im Jahr 2018 hat die oberste Landesbehörde 10,4 Mio. Euro von der EU erhalten.19 An zweiter Stelle steht der Landesbetrieb für Küstenschutz in Schleswig-Holstein mit 5,92 Mio. Euro. Auch finden sich noch Landesbetriebe aus Niedersachsen, SachsenAnhalt, Thüringen und Brandenburg unter den Top-15-Empfängern. Gegenüber der Ausschüttung der Agrarsubventionen im Jahre 2009 hat sich vieles getan. Seinerzeit erhielten auch Rüstungskonzerne, Eislaufclubs, Akkordeonclubs, Auto- und Chemiekonzerne Zuschüsse aus dem Agrartopf. Vorbei sind auch die Zeiten der Exportunterstützung für europäische Produkte, wie bei Nestlé geschehen. Bis heute geblieben ist jedoch die Tatsache, dass die kleinen und mittleren Familienbetriebe nur unzureichend von den EU-Agrarsubventionen profitieren.

Statt den Fokus auf die kleinen NRW-Familienbetriebe zu legen, war es auf der Agrarministerkonferenz am 12. April 2019 in Landau vor allem die schwarz-gelbe Landesregierung, die sich für eine Umschichtung von Haushaltsmitteln in die zweite Säule in Höhe von 4,5 Prozent des Direktzahlungsvolumens eingesetzt hat. Die Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD vom 2. Oktober 2019 hat ergeben, dass die flächenbezogenen Direktzahlungen um 6 Millionen Euro in NRW gekürzt werden. Die umgeschichteten Mittel kommen denjenigen landwirtschaftlichen Betrieben zugute, die sich den neuen EU-Agrarumweltmaßnahmen nicht verweigern und das umfangreiche Controlling mitmachen.

Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Umverteilung zu aufwendigeren bürokratischen Verfahren und zum steigenden Anpassungsdruck für Landwirte führen wird. Vor diesem

Hintergrund hat sich die Wut der Landwirte darüber in Bonn und in vielen anderen deutschen Städten entladen. Unterdessen verwies Bundesagrarministerin Klöckner (CDU) auf die „gesellschaftlichen Erwartungen“ hin, denen sich die Landwirte stellen müssten. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV), Johannes Röring, trat in Bonn auf und versuchte, die Wut der Landwirte zu kanalisieren.

Am gleichen Tag hat die FDP-Bundestagsfraktion ihren Antrag „Fachlich fundierte und europäisch einheitliche Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft mit Zukunft“ im Bundestag eingereicht und für eine zukunftsfeste Landwirtschaft geworben. Bei der namentlichen Abstimmung, zwei Tage später, haben die Abgeordneten der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD für den Antrag gestimmt. Der WLV-Präsident Röring stimmte mit der CDU-Fraktion gegen den Antrag.

Enttäuscht setzten hunderte Landwirte ihren Protest fort und demonstrierten am 28. Oktober 2019 in Kalkar. Zur Kundgebung beim Agrar-Forum kamen erneut rund 400 Landwirte mit Traktoren und sorgten vereinzelt für Verkehrsbehinderungen am Niederrhein. Unterdessen sprach der WLV-Präsident Röring in einem Interview mit TOP AGRAR davon, dass er keine Hinwendung der Bauern zu einer politischen Alternative erkenne. Er sprach davon, dass die erforderlichen Kompromisse für mehr Umwelt- und Klimaschutz nicht allen Betroffenen gefallen werden und betonte als WLV-Präsident noch einmal klar, „dass die CDU/CSU eng an der Seite der Bauernfamilien [stünde] und für sie [kämpfen würde].

Doch bereits im Mai 2018 konnte SPON zeigen, dass der Familienbetrieb des WLV-Präsidenten Röring EU-Agrarsubventionen in Höhe von 33.711 Euro (2017) erhielt. Laut ABGEORDENTENWATCH steht der WLV-Präsident auch an sechster Stelle der Top-Verdiener mit Nebeneinkünften von über 620.000 Euro im letzten Jahr, eine Tatsache, die seine finanzielle und politische Unabhängigkeit im Interesse der westfälischen Landwirte, die er im Bundestag vertritt, in Frage stellt.

Regionalisierung statt Globalisierung

Vielen Verbrauchern ist durchaus bewusst, dass die klassisch-traditionelle Landwirtschaft mit ihren kleinen Bauernhöfen stark unter Druck gekommen ist und regionale Produkte mehr Wertschätzung erfahren müssen, um den Globalisierungstrend aufzuhalten. Besonders durch die Freihandelsabkommen, wie z.B. mit den Mercosurstaaten und einem hierdurch verstärkten Preisverfall für Agrarprodukte, hat die Sympathie für regionale Lebensmittel deutlich zugenommen. Das betrifft alle Formen der Bewirtschaftung. Die Sympathie gilt nicht exklusiv Ökoprodukten, sondern betrifft Regionalprodukte im allgemeinen. Um der regionalen Absatzförderung nachhaltig zu helfen, wird es nötig sein, mehr Fördermittel über die Kriterien zur Regionalität zu vergeben, nicht über die Bewirtschaftungsform.

II. Der Landtag stellt fest,

  • dass Landwirte schon heute viele ökologischen Maßnahmen durchführen;
  • dass neue praxisferne Vorschriften den bereits existierenden Anpassungsdruck auf die Landwirte noch weiter erhöhen werden;
  • dass auch den kleineren und mittleren Familienbetriebe ein Mitspracherecht bei der Entwicklung neuer Vorschriften gegeben werden muss;
  • dass auch in Zukunft keine Kompromisse bei der Trinkwasser-Qualität gemacht werden dürfen.
  • dass Nitrate unverzichtbar für die Nutzpflanzen, für die Bodenfruchtbarkeit und letztlich für die Ernährung des Menschen sind.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, die Ermittlung der Nitratbelastung stärker an guter wissenschaftlicher Praxis zu orientieren;
  2. neue Nitrat-Messstellen an geeigneten Orten aufzustellen und transparente Standards bei der Erhebung der Datensätze anzuwenden, um die Nitratermittlung auch in den sog. „roten Gebieten“ noch genauer durchzuführen;
  3. sich auf allen politischen Ebenen für den notwendigen Bürokratieabbau im Agrarsektor einzusetzen, um vor allen Dingen kleine und mittlere Familienbetriebe zu entlasten;
  4. sich gegen ein nationales Verbot von Glyphosat einzusetzen, solange es keine stichhaltigen Erkenntnisse für eine Gesundheitsschädlichkeit gibt;
  5. für den Erhalt eines wirksamen Pflanzenschutzes nach guter fachlicher Praxis als Grundlage jeglicher landwirtschaftlichen Produktion zu kämpfen;
  6. kleine und mittlere Familienbetriebe in den Mittelpunkt der europäischen Agrarnovelle und -politik zu stellen, und nicht Agrarumweltmaßnahmen;
  7. sich im Sinne der Wettbewerbsfreiheit stärker für die Regionalität der Landwirtschaft einzusetzen statt für eine einzige Bewirtschaftungsform.

Dr. Christian Blex
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion


Antrag (Drucksache 17/7746)
Beratungsverlauf

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